Dampfradio

Eigentlich wollte ich ja sparen. Für den Beamer im Sommer. Nun, das wird diesen Monat nichts. Und das kam so: heute sparte ich mir den Einkauf, denn sogar Haferflocken und Spüli kaufe ich mittlerweile im Internet. Palettenweise sozusagen, Loriot lässt grüßen. Ich übertreibe. 20 Kilo Spüli und 10 Kilo Haferflocken sind es aber schon, die sich auf dem Weg zu mir befinden. Keine Sorge, ich leide nicht an Zuständen, die mich täglich zu Spülorgien treiben, ganz im Gegenteil, ich bin Mann und wohne alleine … Spüli benutze ich halt ebenso für diverse andere Sachen außer dem Spülen. Aromen in PG stehen im “Aromaschrank” ja reichlich zur Verfügung. Aber ich schweife schon wieder ab.

Jedenfalls brauchte ich nicht zum Bankautomaten (als ein Mensch, der bewusst ohne Smartphone lebt, werde ich sicher nicht mit Karte dort einkaufen, wo es völlig sinnbefreit ist). Hundert Euro also wurden gerade gespart. So, das vorweg.

Du als treue Leserin und unermüdlicher Leser dieser virtuellen heiligen Hallen hast natürlich im Laufe der Jahre mitbekommen, dass ich früher sehr gerne während der einsamen Dienstnächte Radio gehört hatte. Seit grob 2017 ist das, was dort gesendet wird, kaum noch auszuhalten. Regierungspropaganda, Haltungsjournalismus, ja, selbst in Unterhaltungs-Musiksendungen wird durch die Auswahl bestimmter Musiker Pädagogik betrieben: es gibt kein Interview einer Musikerin oder eines Musikers, dass nicht wenigstens mit ein paar Fragen die richtige Haltung des Befragten zum Ausdruck bringt. Kritische Musiker gibt es gar nicht mehr. Natürlich findet diese Art einer versteckten Indoktrination im gesamten Spektrum der Kultur im Radio statt. Alle UKW-Sender gehören letztlich dem Staat, egal als was man das verschleiernd bezeichnet, oder sie gehören den großen privaten Medienkonzernen, die überall dasselbe berichten, nur mit technisch leicht zu durchschauenden Masken eines vermeintlichen Lokalkolorits. “Echtes Radio” gibt es heute nur noch im Internet oder auf der Kurzwelle. Letztere ist allerdings schwierig, mobil zu empfangen. Ich besitze einen kleinen Weltempfänger aus den 1990er Jahren, doch die Bedienung der Kurzwelle ist unterwegs nicht wirklich radiofreundlich. Nun, du ahnst wahrscheinlich, was folgt.

Genau, weil ich ja 100 Euro Bargeld gespart habe, ist nun dieser Weltempfänger (betrieben mit einem 18650er Li-Io-“E-Dampfakku”) unterwegs zu mir. Er kommt erst in knapp einer Woche an. Damit sollte das Radiohören eine neue Qualität bekommen. Ich möchte jetzt nicht auf technische Details bei diesem Gerät eingehen, lies dazu einfach die Kundenrezensionen, aber es stehen mit ihm weltweit genug (auch deutschsprachige) Sender zur Verfügung, in denen noch ursprüngliches Radio betrieben wird.

Mal ganz abgesehen davon, dass nach dem von vielen Zeitgenossen herbei gewünschten Totalzusammenbruch der Infrastruktur im Lande oder dass in der heißersehnten Dystopie zumindest zeitweise nichts mehr multimedial funktioniert, ohne Strom nicht mal das Internet, ja, selbst ein Kurbelradio auf UKW würde nur schweigende Stille oder Propaganda widerspiegeln, so bleibt man mit einem Weltempfänger einer der wenigen informierten Leute im Lande. Also lässt sich mein “Sparkauf” durchaus auch als eine zukunftsweisende Investition betrachten, nicht wahr? Sonst noch Fragen? Nein? Gut, weitermachen.