Kleine Westernweisheit zwischendurch

Kurze Binge-Pause. Und wieder eine kleine Westernweisheit zwischendurch. Deshalb liebe ich diese Serie so sehr, denn die Erzählung ist gespickt mit scheinbar beiläufig eingestreuten Sätzen, die zuerst kaum auffallen, die leicht zu überhören sind, die dann aber mit voller Wucht im Kopf nachhallen wie ein umgekehrtes Echo. Ein umgekehrtes Echo? Ja, wie etwas, das innerlich schon lange in dir ruft und das du plötzlich draußen erkennst. Du hörst es bereits, noch bevor du ihm für ein akustisches Echo einen Namen gegeben hast. Genau so etwas macht für mich einen guten Western aus. Solche Western sind immer auch Geschichten der Sehnsucht, des Neuanfangs, der Risiken und Nebenwirkungen genauso wie der abenteuerlichen Aufbrüche in unbekannte Gefilde. Ohne Auswanderung und ohne Flüchtlinge aus dem damaligen feudalen Europa hätte es kein „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“, keine USA gegeben, doch zu viele Auswanderer brachten ihre Religionen, ihre Bräuche und Vorurteile mit ins gelobte Land und erschufen eine zweite Heimat, die am Ende der glich, aus der sie geflohen waren. Dieser komplexe Sachverhalt, angesichts der heutigen Zuwanderungs-Debatte tagesaktuell wie nie, wird mit nur zwei Sätzen zu einer Westernweisheit, wenn es aus dem Off heraus heißt: „Es wird auch hier Bräuche und Vorurteile geben, da bin ich mir sicher, aber sie wurden aus dieser Welt geboren und gehören zu ihr. Bringt man die Traditionen des Ortes, von dem man geflohen ist, der einen enttäuscht hat, mit, verurteilt man den Ort der Sehnsucht zu den selben Fehlern.“

Eine kleine Freitagsschwurbelei

Natürlich. Wie konnte es auch anders sein? Mein waches Hirn hatte nach ungefähr der Hälfte abgeschaltet. Und während vor den Augen das Serien-Schauspiel stattfand, erfand das Innere Ich eine Traumwelt, in der ich mich stattdessen befand (ein Satz mit „fand“). Also geht es heute in die zweite Runde. Jaahh, man wird älter, ich weiß. Das einfach so hereinbrechende Einnicken, über das man sich als junger Mensch bei älteren Zeitgenossen noch oft lustig gemacht hat (im Bild oder Cartoon eine Person im Ohrensessel schlafend sitzen), ist zur Realität geworden. In dem Fall jetzt zwar ein klein wenig lästig, doch – und das deute ich hier nur an – während der Arbeit in Leerlaufzeiten finde ichꞌs einfach nur genial: es verkürzt die Arbeitszeit ähnlich wie bei der Zeitumstellung, es bietet jedes Mal eine gewisse Ablenkung, indem es mich aus den Alltag entführt, meist hinein in eine fantasievolle Geschichte, in der sich Personen und Orte der Vergangenheit mit jenen aus der Gegenwart munter mischen (das Einnicken verläuft nur entlang der Grenze zum Tiefschlaf, erreicht ihn aber kaum, so dass die Traumbilder intensiv wahrgenommen werden und kurzfristig auch in Erinnerung bleiben) und es ist letztendlich gesund, da man danach wieder munter bei Kräften ist (Stichwort: Powernapping). So etwas konnte und wollte ich früher nicht, doch es ist prima, zu sehen, dass das Alter noch etwas zu bieten hat, mit dem man jungen Menschen voraus ist: es macht geduldiger, da lange Zeit (eine lange Weile oder die Langeweile) spielerisch beherrschbarer wird. Übrigens gibt es keine Alpträume dabei (ich kann „Alptraum“ einfach nicht mit „B“ schreiben). Wenn ich so darüber nachsinne, so sind die kleinen Fluchten eigentlich immer positiv bis neutral.

In gewisser Weise handelt es sich um eine zweite virtuelle Welt neben der digitalen Welt heutzutage. Ihre Hardware ist aber biologischer Natur und sie funktioniert unabhängig von moderner Technologie. Sie macht also nicht nur geduldiger und ruhiger, sondern auch unabhängiger. Ich will nicht sagen „freier“, denn seit der 1. Hälfte des gestrigen 10-stündigen Westerns, kenne ich ja den Unterschied zwischen Freiheit und Unabhängigkeit. Übrigens, und das darf ich hier verraten, wird genau das, was ich hier zu beschreiben versuche, zu den letzten Bildern im Erleben der Hauptdarstellerin: es findet ein wunderbarer Übergang statt in Bildern und mit dem Erleben aus ihrer jüngsten Vergangenheit vom Leben in den Tod. Beneidenswert und atemberaubend schön. Würde ich sicher wissen, dass mein eigenes Leben in dieser Art endet, also kein Unfalltod plötzlich und schnell, sondern „einschlafend“, so würde ich mich aufs Ende sogar riesig freuen. Aber da man keine Erinnerung ans Ende haben kann, kann einem auch niemand sagen, wieꞌs war, wie sich dieser Übergang gezeigt hat. Wer das Ende nicht erfährt, weil er – warum auch immer – zurückgeholt wurde, besitzt schon deshalb keine Erinnerung daran, da dieser Übergang ja nicht stattgefunden hat. Das Zurückholen (nicht der Übergang) kann sogar zu alptraumhaften Erinnerungsfetzen führen.

Aber wie du siehst, meine Wenigkeit schweift mal wieder ab. Von et Höcksken aufet Stöcksken; vom Einnicken im Fernsehsessel über Gedanken zur Freiheit und Unabhängigkeit in einer biologischen virtuellen Welt bis hin zur Endgültigkeit des Seins. O mein Gott, welch eine Schwurbelei, nicht wahr?

Bis morgen, gehab dich wohl.