Alles ist relativ

Oh, da sind wir schon wieder im konfusen Zeitmanagement meiner Wenigkeit angelangt. „Bis in die Puppen” habe ich geschlafen und bin erst kurz vor “Mittag” aufgestanden. Früher (man verzeihe mir dieses altbackene Wort einer Satz-Einleitung) nahm ich in einem solchen Fall schon den Duft der Zubereitung des Mittagessens aus der Küche wahr, und noch viel früher hörte ich dabei die Frauen in der Küche „rüseln” (die Tanten und Großtanten redeten, klapperten und hantierten dort in ihrem Reich der kulinarischen Sinne). Wie dem auch sei, heute duftet nichts mehr, andächtig still ist’s in meinen heiligen Hallen. Was aber dem Frühstück gegen 11:30 Uhr (23:30 Uhr) nur zuträglich ist, wird ihm doch die gebührende Aufmerksamkeit dadurch verliehen: ich muss schon sagen, so ein süßes warmes Porridge (Haferschleim mit Zucker) in der individuell bevorzugten Konsistenz ist mit das Leckerste, was ich fürs Frühstück kenne. Dicht beieinander liegend im Rennen der “Leckerness” von frischen Mohn- und Sesambrötchen mit holländischem Gouda sowie gekochtem Schinken. Die bekomme ich nur nicht um 23 Uhr auf dem Land, 3 Kilometer von der nächsten geschlossenen Bäckerei. Ein bisschen Verlust ist halt immer.

Das war also gerade eben erst – und jetzt ist schon wieder morgen, also ein anderer Tag. Stelle dir mal ein Leben vor, so organisations-technisch meine ich, in dem täglich zur Mittagsstunde der Tag wechselt. Das wäre geradezu eine geistige Herausforderung, nicht wahr? Dabei ist es der Biologie vollkommen wurscht, wann unsere künstliche Zeitrechnung den Kalender umspringen lässt. Frag mal eine Eule, was sie darüber denkt, ich glaube, sie hat da eine ganz eigene Herangehensweise.

Wenn ich nun sagen würde, ich räume jetzt am Samstag das Geschirr von Freitag weg, so klänge das arg nach einem schmuddeligen, vernachlässigten Alt-Herren-Haushalt. In Wahrheit ist aber nur ein viertel Stündchen vergangen seit meinem halben Löffel ausgekratzter letzter Haferflöckchen. Alles ist relativ, selbst klare Informationen wie heute, gestern und morgen können mitunter eine Täuschung der Sinne und vor allen Dingen der eigenen Einschätzung, des eigenen Denkens, nicht verhindern. Man sollte alles stets im Kontext sehen, um es wahrhaftig zu erfassen, um es wirklich zu begreifen. Einfache Wahrheiten, die uns täglich präsentiert werden, täuschen fast immer. Je schnelllebiger eine Zeit wird, desto weniger Möglichkeiten eines Innegehens und Nachdenkens über die Zusammenhänge bleiben. Das ist mit ein Grund, weshalb ich alles und jedes vermeintlich Einleuchtendes trotzdem ziemlich oft infrage stelle. Und nicht selten verwandeln sich dann derartige Gewissheiten, an die kaum jemand zweifelt, am Ende doch in ihr Gegenteil. Daran werde ich fast täglich um die Mittagszeit erinnert: alles ist relativ.