Etwas Altes über die Erziehung gefunden

Inneres Ich: „Ach, da isser schon wieder. Kommste eine Runde sabbeln, wat?”

So ist es. Kann mal wieder nicht schlafen.

Inneres Ich: „Worüber möchteste denn sabbeln?”

Ich kann ja mal etwas erzählen. Sorry, etwas sabbeln. Also: Es gibt natürlich auch in meinem Dasein mehrere Dinge, bei denen ich mich geirrt habe. Ansichten, die ich heute nicht mehr hege, teilweise sogar gegenteilig denke. Eine dieser ehemaligen Annahmen habe ich in alten Textdokumenten auf dem Rechner gefunden. Ist so um 20, 25 Jahre alt. Damals muss es eine Diskussion über die Erziehung gegeben haben und ich war ein vehementer Verfechter auch der Erziehung von Erwachsenen. Schließlich hatte ich Sozialpädagogik studiert, was man nur macht, wenn man auch so denkt. Man könnte fast sagen, ich war mal ein Grüner. Jedenfalls versuchte ich mit dem folgenden Text, diesen Erziehungsgedanken zu begründen. Ich weiß, sich selber zu zitieren, ist schlechter Stil, würde es auch nicht machen, doch hier bin ich eigentlich nicht mehr ich. Aus heutiger Sicht stammt dies von einem anderen, einem fremden Menschen. So sehr kann man sich verändern:

[…] „Die Mondlandungen zum Beispiel haben nichts mit Glauben zu tun, sondern einzig mit Wissen. Wer allerdings nicht weiß, der glaubt. Und wenn du dich mangels Wissen nicht auskennst, etwas mangels Wissen nicht verstehst, dann glaubst du halt, dann glaubst du, es gäbe kein entsprechendes Wissen, du glaubst, die Mondlandungen seien gefälscht worden. Erst wenn du dich mit der Materie vertraut machst (wenn du lernst, wenn du dir somit bestimmtes Wissen über die Physik zum Beispiel aneignest), dann weißt du Bescheid und man kann dir durch Rhetorik & Co. nicht mehr ein X für ein U vormachen.

Wer also nicht weiß, der glaubt, und wer noch weniger weiß, der glaubt noch mehr. Somit ist Bildung die Vermittlung von Wissen aber nicht die Vermittlung von Glaube. Und das wiederum ist das Wichtigste zu vermittelnde Gut. Sie ist letztlich, was uns als Menschheit ausmacht und uns von den Tieren unterscheidet. Infrage stellen kannst du alles, sogar deine eigene Existenz, das sagt erst mal gar nichts. Aber lassen wir die Verschwörungstheorien mal beiseite, eine ‘Diskussion’ hierüber bringt nichts und ist müßig. Es gibt, wie ich erwähnte, immer eine gewisse Anzahl an Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht wissen, sondern die glauben – und die sogar glauben wollen, da nur durch den Glauben ihr Weltbild aufrecht zu erhalten ist und ihr Leben nur so für sie erträglich ist.

Der Ansatz, Menschen erziehen zu wollen, ist nicht problematisch, sondern jedes Kind wird von seinen Eltern erzogen, also wird jeder Mensch erzogen und (fast) jeder Mensch erzieht wiederum andere. Kinder gehören ja zu den Menschen, habe ich mir sagen lassen. Erziehung ist also grundsätzlich nicht das Problem, nur erziehen wohin bzw. wofür, das ist die Frage und sie wird mitunter zu einem Problem. Beispielsweise werden in arabischen Ländern Kinder in Grundschulen bereits zum Judenhass erzogen und spielerisch pädagogisch auf ihre zukünftige Märtyrerrolle als Selbstmordattentäter vorbereitet. Ich lese in den westlichen Medien nichts darüber, es gibt nur wenige, die sich dagegen auflehnen.

Bewusstsein wird also durch die Erziehung in die nächste Generation übertragen. Nun kommen wir zur Einsicht.

Die Einsicht ist nämlich etwas ganz anderes. Einsicht kann zu einem anderen Bewusstsein führen, tut es aber meistens nicht, dazu fehlt eben die Konsequenz (die auch durch eine Strafandrohung möglich werden kann). Und selbst wenn durch eine Einsicht dein Bewusstsein verändert wurde, bleibt die Konsequenz des Handelns oft aus. Raucher wissen, dass ihr Rauchen schädlich für sie und andere ist, deshalb werden sie aber nicht zu Nichtrauchern. Autofahrer wissen, dass der Sicherheitsgurt ihr Leben schützt, deshalb legen sie aber nicht ihren Gurt an. Sie wissen, dass Telefonieren mit dem Handy im Auto gefährlich ist, deshalb verzichten sie aber nicht darauf – erst die Androhung von Strafe in Form einer Geldbuße lässt sie bewusst handeln. Wenn Kinder dieses Verhalten der Erwachsenen beobachten, findet die Erziehung quasi nebenher statt: Als Erziehende sind die Eltern und ihr Tun Vorbilder der nächsten Generation. Den Eltern wird nachgeeifert. Am Ende bedarf es dann keiner Strafen mehr, da die neue Generation das noch unter Strafandrohung veränderte Verhalten ihrer Eltern in ihr eigenes Bewusstsein übernommen hat.

‘Menschen möchten nicht erzogen werden’ – damit hast du natürlich recht. Auch Kinder möchten nicht erzogen werden. Die Erziehung hört dann auf und wandelt sich bei den Erzogenen in eine Revolution gegen die Erzieher, wenn die Erziehung zu viel wird, wenn sie unsinnig wird und ohne logische Begründung daher kommt, oder wenn sich das Bewusstsein dadurch nicht verändern lässt. Zum Beispiel war es in biblischer Zeit der Kanaaniter für Eltern Pflicht, dem Gott Baal den erstgeborenen Sohn zu opfern. Über viele Generationen hinweg wurde diese Pflicht von der Bevölkerung auch eingehalten. Und doch war sie am Ende wohl der wesentliche Grund für die Zerstörung dieser Gesellschaft von innen. Sehr ähnlich verhielt es sich bei der Französischen Revolution und den folgenden Gräuel. Du siehst, man kann die Menschen nicht zu allen Dingen erziehen, es gibt bestimmte ‘natürliche Grenzen’ der Erziehung. Das ist aber kein Argument, die Erziehung als solche abzuschaffen.”

Nun, heute sehe ich das völlig anders. Es gibt nur zwei Erziehungswege, die fast schon automatisch ablaufen. Zum einen die notwendige Vermittlung von Wissen, zu dem neben den Naturwissenschaften (im Anschluss an die schulische Wissensvermittlung gesellt sich jene des Berufs hinzu) und den Künsten auch die Geschichte der Ahnen gehört, und zum anderen das Vorleben der Erwachsenen. Aus beiden Wegen entwickelt sich der junge Mensch eigenständig. Aber eine Erziehung als Indoktrination – egal wohin, denn das heute vielleicht als das Gute verstandene ist morgen schon das Böse und übermorgen wieder etwas ganz anderes – lehne ich, eben anders als im “gestrigen Text”, heute komplett ab.

Na? Genug gesabbelt?

Inneres Ich: „Ja! Es ist schrecklich, mit was du uns Lesende malträtierst, wenn du nicht schlafen kannst.”

Naja, die Kraftvergeudung ist auch immer eine Herausforderung, nicht wahr?