Eine Ruhe wie Weihnachten herrschte in der letzten zweiten Nachthälfte. So gegen 4 Uhr fiel es mir richtig auf: nicht ein Auto weit und breit, auch das Rauschen der nahen Autobahn fehlte, kein Mensch war zu sehen, Straßen und Wege wie ausgestorben. Scheinbar begannen nirgendwo Frühschichten oder die Leute beamten sich zur Arbeit. Keine durch Menschen verursachten Geräusche gab es. Das ist tatsächlich selten, denn normalerweise ist immer irgendetwas zu hören.
Man liest um den Karfreitag herum ja jedes Jahr Artikel, in denen Fragen gestellt und Meinungen unters Volk gebracht werden, ob diese Karfreitagsruhe noch zeitgemäß sei. Lustig ist, dass ich diese Artikel seit den 70er Jahren eigentlich unverändert vorfinde. Stets derselbe Inhalt. Man könnte mal interessehalber recherchieren, ob das vielleicht sogar immer wieder dieselben Artikel sind. Kleiner Scherz, jedenfalls nichts Neues unter der Ostersonne. Und ja, man hat das ganze Jahr lang Zeit zu zappeln und nervös zu feiern, da braucht den Menschen, die diese Stille genießen, nicht auch noch der letzte ruhige Tag gestohlen zu werden.
Ihr Jungen werdet ihn überleben und ihr armen Älteren, die ihr nichts mehr ohne Ablenkung mit eurem Inneren anzufangen wisst, bekommt somit einmalig im Jahr die Chance, dort mal in Ruhe nachzuschauen, ob da überhaupt noch etwas Substanzielles vorhanden ist. Falls nicht, so ließe sich die hohle Hülle, die Echokammer der leeren Schaltzentrale oberhalb des Schreihalses, prima mit neuen Eindrücken aus der Natur befüllen, indem ihr einen langen Osterspaziergang unternehmt. Die meisten Leserinnen und Leser dieses Tagebuchs und meine Wenigkeit, wir verraten euch ein Geheimnis: nach einem solchen Spaziergang werdet ihr zufriedener sein als nach jedem noch so angesagten Bum-Bum-Party-Event. Das Wandern in der Natur befreit jede nervöse Unruhe und man kann ihr dabei zusehen, wie sie die Fesseln abstreift und hastig davonläuft. Übrig bleibst du, ein Mensch, der wieder in Ruhe darüber nachdenken kann, wozu es ihn überhaupt gibt.