Vorwarnstufe Orange

Es beginnt erneut: kaum genießt man die warmen Sonnenstrahlen am ersten echten Frühlingstag, werden einem auf den Wetter-Seiten schon wieder die mit Warn-Orange eingefärbten Karten um die Ohren gehauen. Hey, ihr Manipulateure, 14-16 Grad im April sind völlig normale Temperaturen, sie liegen absolut im grünen Bereich für diese Jahreszeit. Grün, versteht ihr?

Trutzburgen

Blick aus meinem Frühstücks-Dachfenster heute Morgen, kurz bevor hinter den Bäumen die Sonne aufging. Die beiden Hütten stehen auf Nachbars Wiese und sind kleine Ställe für eine Handvoll winterharter Ziegen (edit: Schafe, die wie Ziegen aussehen), die wiederum das Gras der Wiesen drumherum im Zaum halten aber zur Zeit des Fotos noch schliefen.

Als ich diese Mini-Ställe das erste Mal gesehen hatte, gab ich ihnen kein Jahr, so hobbymäßig windschief wurden sie gebaut. Das war um 2002, nachdem der neue Nachbar sie aus allerlei Resten zusammengezimmert hatte. Danach kamen die Schneemassen im Jahrhundertwinter 2005, unter deren Last ganze Sporthallen im Süden des Landes eingestürzt waren und etliche Strommasten, die in der Folge das Münsterland versorgungstechnisch mehrere Wochen von der Außenwelt abgeschnitten hatten. Der Schnee auf den Dächern der Hütten lag genauso hoch wie die Hütten selber sind, doch er machte ihnen nichts aus. Zwei Jahre später wütete Orkan Kyrill und zog im Wald des Bildhintergrunds breite Schneisen der Verwüstung – das Ziegenschaf-Zuhause bot den lieben Kleinen Schutz und Kyrill zog spurlos an ihrem Heim vorüber. Jedes Wetter seither, Gewitter, Sturzbäche, tagelange Regenfluten und Stürme überstanden diese Eigenbauten schadlos. Für mich sind sie zu einem Paradebeispiel für Schein und Sein geworden. Stabilität erkennt man nicht am schmucken Äußeren, sie beweist sich in der Standhaftigkeit, im Trutz gegen die Naturgewalten. Dieses Sinnbild lässt sich prima auch auf gesellschaftliche Stürme übertragen: wenn du glaubst, ihnen nicht mehr gewachsen zu sein, wirst du staunen, wozu deine müden morschen Knochen am Ende noch in der Lage sind, wirst dich wundern, was die scheinbare Baracke deines Seins dann doch übersteht.

In diesem Sinne: Weniger Auferstehungsgedöns als Standhaftigkeit und frohe Ostern wünsche ich dir.