Auffallend ist, dass seit dem ich den großen Aufkleber rechts oben als Widget ins Tagebuch geklebt habe, der sowieso längst schon bescheidene Besuch meiner virtuellen heiligen Hallen sich nochmals halbiert hat. Seit dem Folgetag sind nur noch 20 bis 30 tägliche Besuche zu verzeichnen. Nicht dass mich das stört – oft genug erwähnte ich, hauptsächlich für mich selber zu schreiben, und dass ich glücklich und zufrieden bin, wenn nur ein einziger Mensch das Tagebuch liest – so finde ich das neuerliche Fernbleiben mancher Zeitgenossen dennoch ziemlich interessant. Was erregt an dem Aufkleber ihren Unmut? Faktisch spricht er die Wahrheit, das wäre für jeden leicht zu googeln. „Schön” im Sinne von erbaulich sieht er natürlich nicht aus, denn er verherrlicht oder verharmlost den Krieg sicher nicht. Im Gegenteil, es wird sofort klar, um was es bei Krieg geht, nämlich in erster Linie um ein (sinnloses) Sterben.
Natürlich gibt es gerechtfertigte Verteidigungskriege. Der Kampf gegen Hitler oder die Selbstverteidigung Israels sind hier gute Beispiele, doch in der Regel werden Kriege geführt, um die Interessen der Mächtigen zu wahren oder sie auszudehnen. Seit Peter Strucks dummen Satz, unsere Sicherheit werde am Hindukusch verteidigt, wissen wir aber, dass mit dieser Art Rhetorik lediglich das eigene Volk beruhigt werden soll. Für jeden Krieg, absolut für jeden, findet sich auch eine einseitige Rechtfertigung, das liegt begründet in der Natur menschlicher Auseinandersetzungen. Meist erkennt man aber erst hinterher den völligen Irrsinn dieser Argumentationen.
Wer sich an einen Krieg beteiligen will, kann es jederzeit selber tun, es gibt aber keinen moralisch gerechtfertigten Grund, gegen Russland oder China als Land oder als Europäische Union kriegerisch vorzugehen. Wer glaubt, dass unser Deutschland es dennoch tun müsse, der bemerkt nicht, wie sehr er bereits von den westlichen Mächtigen indoktriniert worden ist. Unsere eigene Freiheit und Demokratie sind nicht durch Russland oder China bedroht, sondern wir selber leben sie oder nicht. Bedroht wird die Sicherheit im Inneren. Durch die nicht vom europäischen Volk beauftragte EU sowie durch unsere nationalen Gesetze, die Stück für Stück in allen Bereichen die Freiheitsrechte, ja, sogar das Grundgesetz verändern und die Welt bedingungslos zu uns einlädt.
Was nun so interessant wirkt am Fernbleiben wegen des Aufklebers, das ist eben die andere Sichtweise der meisten Menschen im Lande – und dies wird ausgerechnet bei den Grünen überaus deutlich: Als ehemalige pazifistische Partei sind es die einzigen, die seit Joschka Fischer immer dann, wenn’s drauf ankommt, vehement für Kriege eintreten. Aus Pazifisten wurden Kriegstreiber. Das macht die Angelegenheit eben außergewöhnlich. Und für mich schwer erklärbar. Ähneln sich eventuell Pazifisten und Krieger in Wahrheit dermaßen, dass man in entscheidenden Momenten kaum einen Unterschied zwischen ihnen ausmachen kann? Falls dem so sein sollte, dann müsste man sich vor Kriegern und Pazifisten gleichermaßen in Acht nehmen.
So sehe ich mich nämlich, meist zwischen den Stühlen sitzend, weder das eine, noch das andere. Auch ich kann mir eine Teilnahme an einen gerechten Krieg durchaus vorstellen – genauso wie halt die Ablehnung eines Krieges für fremde Interessen. Und das ist bei China und Russland nun mal der Fall: Kriege gegen diese Länder werden nie meine eigenen Kriege sein.
Schon seit Anfang an des Onlinetagebuchs schreibe ich von der Gefahr, die durch Deutschlands Mitgliedschaft in der NATO entsteht. Sie wird uns irgendwann in einen verheerenden Krieg zwingen, selbst wenn die Mehrheit der Bevölkerung dies nicht wollen würde. Heute sehe ich, dass sogar die Mehrheit es unbedingt haben möchte. Das hätte ich vor Jahren nie gedacht. Es ist übrigens einer der Gründe, weshalb ich nicht als ein National-Deutscher empfinde, denn mit einer solchen kriegslüsternen Mehrheit möchte ich wahrlich nichts am Hut haben.
Deutsch ist meine Sprache, sie ist meine Identität. Das Christentum ist meine Kultur selbst als Atheist. Der Niederrhein ist meine Heimat auch in Belgien und Holland. Doch Deutschland als eine Nation, das war und ist mir nach wie vor fremd. Heute fühle ich mich viel eher wie ein absterbender Ast an einem Baum.
Aber auch darüber habe ich ja schon zigmal geschrieben. „Man” gerät halt leicht vom Höcksken aufs Stöcksken. Bis morgen also in alter Frische. Gehab ich wohl, du übriggebliebene Restleserin bzw. Restleser 🙂