Paketboten – ein Kapitel für sich

Die Lieferung der bis morgen Abend benötigten Sattelstütze wurde heute für morgen schon mal angekündigt. Leider ausgerechnet durch Hermes, dem schlechtesten Paketdienst Deutschlands, der es sogar fertiggebracht hatte, Post für mich mit dem Vermerk „Empfänger unbekannt” zurückzuschicken. Ja, sie hatten damals, als sie das getan hatten, wie generell und wie für morgen eine Abstellgenehmigung. Das schert die Fahrer aber nicht die Bohne, denn sollten sie in Zeitnot geraten, fahren sie definitiv nicht so weit raus zu uns.

Bei der jetzigen Bestellung war übrigens angegeben „Versand durch DHL”, dem zuverlässigsten Paketdienst Deutschlands. Auch Online-Shops sagen nicht immer die Wahrheit. Okay, der amazon-eigene Paketdienst ist ebenfalls klasse, die Jungens sind einfach nur großartig. Und ja, wenn ich die Boten selber antreffe, was leider meist wegen der Nachtschichten nicht der Fall ist, bekommen sie jedes Mal Extra-Trinkgeld. Das war für die Hermes-Boten allerdings nie Anreiz, ihre Arbeit ordentlich zu erledigen. Sie fahren noch heute teilweise mit ihren Privatwagen oder mit schrottreifen Firmen-LKWs (ich frage mich immer, wo die in Gottes Namen ihre TÜV-Zulassungen herbekommen).

Jaja, ich höre schon: Georg, du sollst nicht so schimpfen über die armen überlasteten Schwerstarbeiter. Hallo? Die müssen bei uns keine einzige Stufe steigen, keinen längeren Weg gehen, könnten im Auto sitzenbleiben und die Päckchen vom Fenster aus einfach vor die Tür legen, doch sie lügen und sagen, sie haben keinen angetroffen (trotz Abstellgenehmigung und natürlich ohne eine betreffende Karte dazulassen, die als Beleg dient, dass sie überhaupt vor Ort waren) – und, was eben die Krönung von allem war: ich, der Empfänger, sei unter der Adresse unbekannt (ich wohne hier seit 25 Jahren). Nein, was schlecht ist, darf man als schlecht bezeichnen, und über schlechten Service darf man schimpfen. DPD war auch lange Zeit schlecht, was aber nur an einen bestimmten Fahrer lag, der wohl im Laufe der Zeit so viel Mist gebaut hat, dass er nun schon seit einigen Jahren nicht mehr da ist. Seither funktioniert dieser Paketdienst wieder gut. GLS haben mit ihrem hohen in Litauen (!) angemeldeten Wagen unsere Dachrinne beschädigt – waren sie natürlich nicht, sagen sie, und wir hatten keine Videokamera. UPS findet oftmals unser Haus erst gar nicht; immerhin bemühen sich deren Fahrer und so manches Mal kam einer zu Fuß den Zufahrtsweg entlanggelaufen auf der Suche nach dem Ziel-Haus.

Niemand erwartet geistige und körperliche Überflieger. Und wenn jemand sich meldet und sagt, er schaffe es an einem bestimmten versprochenen Tag nicht, dann ist das vollkommen in Ordnung. Es wäre morgen natürlich ärgerlich, doch ich würde kein einziges böses Wort darüber verlieren. Das Lügen allerdings, das macht mich richtig wütend. Wir alle gehen nämlich unserer Arbeit nach und versuchen sie so korrekt wie möglich zu erledigen. Niemand arbeitet in solchen Jobs zum Spaß oder zur Selbstverwirklichung. Den Druck, dem die Boten ausgesetzt sind, kann ich nachvollziehen – wenn ich konstitutionell solchen Druck aber nicht aushalte, dann bin ich schlicht falsch in diesem Job. Egal wie hoch der Druck ist, er ist nie hoch genug, um ein Lügen zu entschuldigen. Wer sich damit rauswindet oder wer deswegen von den Kunden Verständnis für die überforderten Boten einfordert, der lügt wahrscheinlich selber regelmäßig bei vielen anderen Gelegenheiten auch.

Es ist dasselbe wie beim leidigen Thema des Diebstahls. Bewachungen, also Wachleute, die stehlen statt zu bewachen, gibt es mehr als man glaubt. In unserer Firma fliegen solche Kollegen sofort raus, aber ich weiß von Firmen, die es anders handhaben. Auch wenn man im Niedriglohnsektor unter miserablen Arbeitsbedingungen sein Geld verdienen muss – oder gerade deshalb – ist es kein Grund, seine eigene Ehre oder seine Würde abzugeben.

Wahrscheinlich geht morgen aber alles gut.

Auch meine ich es nicht so böse, wie sich der heutige Eintrag wohl liest. In diesen Dingen habe ich nun mal eine ziemlich geradlinige Sichtweise. Und wenn selbst ich es ohne Lügen oder Diebstähle durch ein ganzes Berufsleben geschafft habe, dann kann das ebenso jeder andere, denn Charakterstärke ist grundsätzlich überhaupt nicht mein Ding. Sowieso finde ich nicht, dass es Stärke bedarf, seine Würde zu behalten. Nicht zu lügen und zu betrügen hat eher etwas mit der Persönlichkeit als mit Kraft zu tun, ja, sogar mit einem eigenverantwortlichen Leben, vielleicht auch mit der gelebten Freiheit (oder Unabhängigkeit, die ja begrifflich oft mit Freiheit verwechselt wird, wie wir seit dem Western „1883” wissen).

Nunja, das Schwurbeln übermannt mich gerade wieder 😉

Kann sein, dass ich morgen kein Tagebucheintrag zustande bringe, denn es wird morgen alles ziemlich knapp. Also vielleicht erst bis Dienstag. Genieße das schöne Sommerwetter.