Krieg und Frieden – eine Notiz

Wie praktisch doch ein Notizbuch ist, um spontane Gedanken aufzufangen, zeigte sich mir gestern Nacht. Klar könnte man sie auch in ein Smartphone tippen, doch erstens habe ich keines und zweitens ist für mich das Schreiben mit der Hand per Stift etwas anderes. Zu Hause tippe ich alles auf der großen Tastatur am Tisch, das könnte ich mir wiederum nicht per Hand vorstellen, doch unterwegs, wenn ich auf einer Parkbank sitze und quasi auf den Knien schreibe, wäre der winzige Platz, der auf einem Display für eine virtuelle Tastatur zur Verfügung steht, na, sagen wir einmal: zumindest unattraktiv. Da wundert es auch nicht, dass in den sozialen Netzwerken vor lauter Wortabkürzungen und Weglassungen die Texte mehr wie Stenogramme aussehen.

Inneres Ich: „Nun, was hast du denn so Tolles geschrieben?”

Gar nichts Tolles. Auch nichts Kreatives. Manch einer würde es eher als etwas Böses bezeichnen. Aber es ist wahr, glaube ich. Und es ist ehrlicher als beispielsweise eine Umfrage, in der man durch ankreuzen auf gewisse Fragestellungen irgendwelche vorformulierten Antworten auswählt. Womöglich noch am Telefon zwischen Tür und Angel sozusagen.

Nehmen wir an, jemand fragt dich, wie du es mit dem Krieg hältst, mit dem Töten von anderen Menschen, und ob du dir eine Situation vorstellen könntest, daran teilzunehmen. Zu Hause am Schreibtisch würde ich wahrscheinlich drumherum schreiben, ausführlich bestimmte geistige Konstrukte heranziehen, die jeweils unterschiedliche theoretische Ansichten hervor brächten. In einer Antwort per ankreuzen würde ich wiederum die am nächsten zutreffendste auswählen, selbst dann, wenn sie zum Teil überhaupt nicht meine Zustimmung findet. Sitzt man aber mit dem Notizbuch in der Hand auf einer Bank und weiß, dass nichts von dem, was jetzt geschrieben wird, unmittelbar danach veröffentlicht wird, verzichtet man auf Schwafelei und darauf, sich möglichst gut oder klug oder sonstwie bei anderen in Erscheinung zu bringen und kann viel ehrlicher und kürzer auf die Frage nach Krieg, Verteidigung und die Rechtfertigung fürs Töten antworten.

Inneres Ich: „Du schwafelst gerade sogar gewaltig. Komm doch auf den Punkt. Was hast du denn geschrieben?”

Okay, momentan schreibe ich ja auch auf der Tastatur 😉

Also, ich schrieb nur knapp 5 Sätze:

Für keine Regierung der Welt, für kein Land, für keinen König und für kein Parlament würde ich jemals freiwillig in den Krieg ziehen. Auch nicht für einen Gott, weder für eine Religion, noch für irgendeine Ideologie der vermeintlichen Freiheit oder Gerechtigkeit. Klar, wenn man dazu gezwungen wird, ist es „erst mal” etwas anderes, doch selbst dann würde ich stets Ausschau danach halten, wie ich mich dem entziehen könnte. Also freiwillig? Nie!

Aber sollte jemand mich, die Familie oder einen Menschen, dem ich in seiner Not beistehe, schlimm bedrohen, so hätte ich nicht die geringsten Skrupel, ihn oder diejenigen umzubringen.

Mit „schlimm bedrohen” meine ich an Leib und Leben bedrohen. Das ist bereits dann gegeben, wenn jemand mit einer Waffe auf einen anderen Menschen zielt, ganz gleich, ob es sich dabei um einen Bluff handelt oder nicht. Wer so etwas macht, muss damit rechnen, ernst genommen zu werden und eventuell Pech zu haben. Man zielt unter keinen Umständen mit einer Waffe auf einen anderen ohne mit Konsequenzen zu rechnen. Eigentlich sollte das allen Kindern in der Schule des Lebens von Anfang an beigebracht werden, finde ich.

Was geschieht aber in der Realität? Es wird (den Kindern, dem Volk) gesagt, der Friede sei das alleinige Gute und Erstrebenswerte auf der Welt, was ja auch stimmt, sehe ich genauso, aber gleichzeitig fachen dieselben Leute Kriege an, gießen Öl in brennende Kriegsfeuer und tun alles, damit er nicht aufhört. Und dann wundern sie sich, dass die allgemeine Gewalt in der Gesellschaft zunimmt.

Wenn die Regierung eines Landes von einer anderen Regierung bedroht wird, hat ein deswegen ausgerufener Krieg überhaupt nichts mit einer persönlichen Verteidigung zu tun. Das zu begreifen, fällt den meisten Leuten ungeheuer schwer. Lieber bauen sie theoretische und absurde Gebilde und Vergleiche, wie etwa früher die Kommission bei der Wehrdienstverweigerung („Was würden Sie als Pazifist tun, wenn jemand Ihre Freundin vergewaltigt und neben Ihnen läge eine Waffe?”). Sie vermischen absichtlich die persönliche Verteidigungsbereitschaft mit einem Krieg der Länder oder der politischen/kulturellen Systeme. Das ist übelste Manipulation.

All das wird dem Hirn in einsamen Nächten mit einem Notizbuch auf dem Schoß und einen Stift in der Hand glasklar.