Klick auf die Karte = etwas größer. Wer von der Vergangenheit nichts weiß, steht heute vor einem Dilemma, vor einem Erklärungsnotstand gewissermaßen. Nach dem 2. Weltkrieg verschob Stalin mal eben Polen ein gutes Stück gen Westen. Die Vormals deutschen Ostgebiete wurden zu West-Polen und die Menschen aus Ost-Polen wurden einfach in den Westen umgesiedelt. Ihren Platz nahmen wiederum Ukrainer ein, wobei die Ethnie Ukrainer, ein slawischer Stamm, sich nie zu einer dauerhaften Nation im modernen Sinn entwickelt hatte, sondern das Land seit dem Mittelalter zwischen Polen, Litauen und Russland abwechselnd aufgeteilt worden war. Das nur mal zur groben Orientierung. Wer mehr wissen möchte, kann sich im Internet heutzutage zum Völkerrechtsexperten à la Baerbock ausbilden lassen, denn alle Infos sind dort zu finden (nicht bei Wikipedia, da musst du schon weitreichender recherchieren). Natürlich wird heute an all diesen Dingen herumgedeutet, Historiker streiten sich (Historiker streiten sich immer, Streit ist eines ihrer Wesensmerkmale), inwieweit beispielsweise ein Fürstentum bereits als Nation angesehen werden kann oder nicht. Sei’s drum, Tatsache ist, dass das ukrainische Siedlungsgebiet ständig irgendwem, irgendeinem Nachbarland gehörte.
Die letzte große Landkarten-Verschiebung des Ostens fand also, wie erwähnt, unter Stalin statt.
Nun hat Deutschland endgültig auf seine ehemaligen Ostgebiete rechtlich verzichtet. Die Einwohner wurden zwangsvertrieben. Als Buße gewissermaßen für den von uns verursachten 2. Weltkrieg ist das meines Erachtens auch völlig in Ordnung. Natürlich war es nicht für diejenigen in Ordnung, die ihre Heimat verloren hatten, das ist ja klar. Die sind aber mittlerweile ausgestorben. Ernsthaft möchte heute kein Mensch andere Menschen, die ebenso schon über Generationen dort leben, erneut vertreiben, um wiederum Deutsche anzusiedeln. So weit, so klar und auch vernünftig.
Polen hingegen hatten der Verschiebung seines Landes nie zugestimmt. Nur deren durch die Sowjetunion eingesetzten Marionettenregierungen taten das, nicht aber die Bevölkerung. Die Demokratie ist ja noch recht neu.
Plötzlich sehen heute beide Länder, also Polen sowie Litauen, ihre Chance gekommen, der untergehenden Ukraine ihre ehemaligen eigenen Gebiete wieder wegzunehmen. Das entwickelt sich zur Zeit nur sehr langsam, doch um so deutlicher, und wird, so schätze ich, bald eine rasante Dynamik annehmen, die uns gespannt auf die EU blicken lässt. Wie wird die EU sich verhalten? Wenn Russland die ukrainischen Ostgebiete in die russische Föderation eingegliedert haben wird aber die EU dies nicht anerkennt, dann kann sie ja nicht gleichzeitig Polen und Litauen gestatten, prinzipiell dasselbe zu tun. Ein solcher Widerspruch ließe sich kaum auflösen. Es mag sein, dass Litauen auf Gebietsansprüche verzichtet, sie lassen sich ihnen bestimmt abkaufen, doch ich glaube nicht, dass Polen jemals so korrupt sein wird. Die polnische Identität und das polnische Nationalbewusstsein waren und sind nicht käuflich, sondern gehören zum Herzen der Polen. Es wird also höchst interessant in den nächsten Jahren werden, wie das so sein wird, wenn zwei das gleiche tun (Polen und Russland), es aber unterschiedlich bewertet werden soll. Wir dürfen mächtig gespannt sein.