Was haben sich die Zeiten doch verändert. Dank Dominik, der mich in seiner unverblümten direkten Art gottlob auf meine schreckliche Naivität aufmerksam gemacht hat, konnte ich das eigene Geschriebene von vorgestern selber noch rechtzeitig zensieren (warum, das erkläre ich dort im Kommentar).
Mein Hobby, das E-Dampfen, war vor 10 Jahren noch vollkommen frei. Es schien modern und innovativ zu sein, konnte man damit endlich durch den Geniestreich des Chinesen Hon Lik der gesundheitsschädlichen Sucht des Rauchens entfliehen. Eigentlich sollte sich die Menschheit darüber freuen, wurde sie doch von einer ihrer schlimmsten Geißeln befreit. E-Dampfen stellt darüber hinaus keine besondere Gesundheitsgefahr dar (ähnlich wie Kaffee). In den letzten 15 bis 20 Jahren, also seit es das E-Dampfen gibt, ist noch kein Mensch daran gestorben oder erkrankt. Natürlich ist das nicht so, wenn man Gift in die Verdampfer schüttet oder wenn Akkus durch unsachgemäßen Umgang ausgasen, diese Unfälle gab es bei der millionenfachen Verbreitung selbstverständlich auch. Menschen kommen halt auf die aberwitzigesten Ideen der Verwendung ihrer Gerätschaften, doch diese Schäden haben nichts mit dem E-Dampfen an sich zu tun. Wenn ich Gift in deinen Tee gieße, dann wäre das zwar ein prima Thema für einen Kriminalroman, doch kaum etwas fürs Tee-Kränzchen von nebenan. Bisher ist noch keiner auf die Idee gekommen, Streichhölzer verbieten zu wollen, weil diverse Lunten damit entzündet wurden.
Also eigentlich gebührt Hon Lik der Nobelpreis. Und die Menschheit sollte sich, wie gesagt, über seine technische Entwicklung zur Marktreife der E-Dampfgeräte freuen. Aber das genaue Gegenteil fand statt (mit Ausnahme von Großbritannien, das einzige Land, in dem E-Dampfen sogar staatlicherseits gefördert wird).
Denn seit Jahren wird den E-Dampfern diese gewonnene Unabhängigkeit vom Tabak und ihr gesundheitlicher Gewinn fast zum Nulltarif weltweit mehr und mehr eingeschränkt, bis eben in diesem Jahr sämtliches Herstellen, das sogenannte Anmischen, von Liquid in Deutschland verboten worden ist. Das muss sich ein Mensch mal vorstellen: du darfst alle drei benötigten Bestandteile des Liquids besitzen (PG, VG, Aromen), kannst diese harmlosen Zutaten, die nicht einmal irgendwelche Gefahrenkennzeichen benötigen, nach wie vor überall kaufen, darfst Shampoo, Kosmetik oder wer weiß was daraus herstellen, darfst dich mit ihnen einreiben, darfst sie trinken oder als Zusätze für was auch immer benutzen – aber sobald du sie in einem Verhältnis mischst, das sie dampfbar macht, stellt dieses Mischen – auch nur für den Eigenbedarf – eine illegale Liquidherstellung dar. Man glaubt, man schaue einen falschen Film, die Handlung ist derart grotesk, dass sie nur schwer mit Worten fassbar ist.
Auf der anderen Seite darf man xx-fach so teures und bereits fertig angemischtes Liquid jederzeit im Geschäft kaufen. Wie du daran siehst, es geht einzig ums Geld.
Natürlich mischen kluge E-Dampfer auch weiterhin selber, doch nur zu Hause im Verborgenen und keinesfalls öffentlich. Wer es öffentlich zugibt, gesteht öffentlich eine Straftat, wer es propagiert, wird verfolgt. Danach bedarf es nur noch eines Denunzianten und schon wirst du bestraft. Wenn ich das vor 10 Jahren so vorhergesagt hätte, dann hätten mich alle Leute als paranoid ausgelacht. So wie es übrigens auch heute noch die des E-Dampfens unkundigen Leute tun; sie schütteln nur ungläubig darüber ihre Köpfe.
Wenn ich also zukünftig noch weiter im Tagebuch über mein Hobby schreiben möchte, muss ich mir Stellvertreter-Begriffe einfallen lassen. Wie zum Beispiel die eigene Shampoo-Herstellung mit Aprikosen-Geruch oder so etwas. Dabei komme ich mir vor wie die Menschen in der alten DDR, die bei bestimmten Sachverhalten ebenfalls solche Schlüsselwörter benutzten, die schon sehr an eine Geheimsprache erinnerten. Ein E-Dampf-Code gewissermaßen. Sollten in den kommenden Jahren auch noch die Selbstwickel-Verdampfer verboten werden, Bestrebungen dazu sind im Gange, kann ich gar nicht mehr öffentlich über mein Hobby schreiben. E-Dampfen existiert dann nicht mehr öffentlich. Das ist eben der Unterschied von der virtuellen zur realen Welt, in der natürlich nach wie vor gedampft, gemischt und gewickelt wird.
Muss ich noch extra erwähnen, dass gesundheitsschädliches Rauchen, auch die Herstellung für den Eigenbedarf von Zigaretten, Zigarren und was auch immer, nicht verfolgt wird? Wenn man heute Landwirtschaftsminister ist, darf man in einem öffentlichen Interview vor der heimischen Canabis-Anpflanzung posieren. Aber wehe, du schüttest Propylenglykol mit etwas pflanzlichem Glycerin zusammen, um es zu dampfen, dann bist du mit einem Mal ein (Steuer-) Straftäter. Wie irre wird dieses Land eigentlich noch? Was wird als nächstes verboten?
Aber nicht übertreiben mit der Selbstzensur 😉
Klar, soweit ich mich an den unzensierten Artikel erinnere, war er in gewisser Hinsicht etwas ungünstig. Aber generell ist es völlig unproblematisch, auch künftig über das Selbstmischen zu schreiben, solange man vermeidet, zu betonen, dass man Nichtsubstitute verwendet, oder Altbestände nutzt, die man nicht nachversteuert hat.
Solange die Informationen fehlen, ist da gar nix dran problematisch. Selbst wenn jedem klar sein müsste, dass es so ist… ist es schlicht nicht nachweisbar.
Tja, genau darum ging’s “leider” – wie drücke ich mich jetzt mal am besten aus? – um die Freude, die Früchte der eigenen Vorsorge genießen zu können. Damals wurde ich, wie einige andere ebenso, für unseren Spargroschen ausgelacht. Es sei alles so spottbillig, hieß es, er werde sich nie rentieren, man käme immer irgendwie an gutes Essen, preppern würde nur dazu führen, dass im Laufe der Jahre alles verschimmelt – und heute ham wir den Salat, nun sind viele zu Zwangsvegetariern geworden. Damit dass sich die Welt um sie herum einmal in einem derartigen Ausmaß wird verwandeln können, in einem Jahrzehnt nur, also das hielten sie für Science Fiction. Und wie es sicher auch bei Noah auf seiner Arche der Fall gewesen sein muss, als der Kiel zum ersten Mal den Kontakt mit dem Boden verlor und sie zu schwimmen begann, trieb das dem einstig Ausgelachten und Verspotteten sicher wenigstens zu Beginn leichte Tränen der Schadensfreude in die müden alten Augen, einer Freude, die ja mehr der eigenen Bestätigung galt, alles richtig gemacht zu haben, als der Freude über die, in meinem Fall, Zwangsernährung der anderen. Dass aber ein solcher freudiger Eintrag dann heute eher missgünstig verstanden wird und dass er damit den Neid als eigentliche Triebfeder des Denunziantentums geradezu befeuert, daran hatte ich halt, naiv wie mein Inneres nun mal ist, ebenso nicht gedacht, worauf mich Dominik dann dankenswerterweise schützend aufmerksam gemacht hat.
Ich will in einer solchen orwellschen Welt nicht leben – allein mir fehlt eine seetüchtige Arche wie deine, aus der du zu mir herüber winkst. Nunja, die Selbstzensur half einstweilen und künftig die Lebensweisheit: Der Kluge schweigt und genießt.