Meine Güte! Letzte Nacht wollte ich nur mal ebkes aufs Bankkonto gucken. Kann ich ja jetzt auch nachts draußen im Regen. Das letzte Mal tat ich das vor 3 Wochen. Munter tippte ich drauflos. Passwort falsch. Wie bitte? 2. Versuch = wieder falsch. Als Niederrheiner sprudelten sofort und ohne mein geistiges Dazutun die Worte „Dat kann nich‘!” aus meinen Mund. Laut. Sodann selbiges mit der Tan-App probiert, gleiches Ergebnis. Browser geöffnet bei der Bank angemeldet und ein 3. Mal im Browser versucht = falsches Passwort.
Da beginnt man an sich zu zweifeln und Fragen zu stellen, wie: „haste nicht letztens erst bei einem Passwort den mittleren Buchstaben O als Null eingerichtet? Haste nicht neulich zwecks besserer Passwort-Zuordnung ein Komma statt eines Punktes benutzt? Aber das war doch bei XY und nicht bei der Bank – oder war es auch bei der Bank?
Nachts, alleine im Land der Dürre unter einem Vordach sitzend und sich so vor dem Regen einigermaßen schützend, da wachsen sämtliche Zweifel wie früher vor Jahrzehnten … ach, lassen wir das, im Alter bleiben eigentlich nur noch die Zweifel. An mir selber, an anderen Leuten, an Gott und dem Leben im Allgemeinen – das Alter wird zur wachsenden Potenz des Zweifels.
Also ein paarmal durfte ich noch kleinere Abwandlungen des Passworts erfolglos probieren, dann erschien die Meldung, die in etwa lautete: „letzter Versuch!” Wäre der auch noch fehlgeschlagen, hätte ich die App deinstallieren, erneut aus dem Store aufspielen und den Bankzugang ganz von vorne neu einrichten müssen inklusive sämtlicher Zahlen-Codes, die eh nur zu Hause mitsamt den Passwörtern in einer Schublade irgendwo liegen (müssten). Ich ließ es somit bleiben.
Du kannst dir sicher denken, dass für den Rest der Nacht mir nichts anderes mehr im Kopf herum spukte wie: Das kann nicht falsch sein, es ist hundertprozentig das richtige Passwort. Ist Mata Hari gehackt worden? Gibt es eine technische Erklärung? Vielleicht wegen des extrem schwachen Funknetzes? Die Gedanken drehten sich im Kreis. Mit wem könnte ich um 3 Uhr nachts darüber reden? Der Mensch neigt bekanntlich bei größeren Fragen und Zweifel zum Brainstorming. Service der Bank? Die liegen im Bett. Kollege in der Zentrale? Gott bewahre! Hund? Ist ja keiner mehr da.
Die Momente schleppten sich dahin. Zähen Minuten folgten quälend lange Stunden. Dann endlich Feierabend. Ab aufs Rad und nichts wie nach Hause zur Schublade. Ja, der Ordner mit den Passwörtern war tatsächlich an seinem Platz – und jetzt kommt’s: es war ein vollkommen anderes Passwort als das, was ich im Sinn hatte.
Das kann ich mir bis jetzt nicht erklären, ich habe keine Erinnerung* an seine Änderung. Demenz, was sonst? Wobei so richtig dement kann es nicht sein, da ich sämtliche anderen Passwörter noch kenne und einige vorhin sogar extra ausprobiert habe. Für was man nicht alles Passwörter braucht. Ich habe sie längst auf zwei, drei Kombinationen eines grundsätzlich für alles geltenden Haupt-Passwortes zusammengeschrumpft, doch wieso ich bei der Bank von dieser Regel abgewichen bin, kann ich mir wirklich nicht erklären. Die „letzten Versuche” getätigt, Zugang erhalten, alles okay, das war’s.
Ob Alzheimer oder nicht – jetzt werde ich das Passwort garantiert nie mehr vergessen. Ich dürfte aber auch kein neues einrichten, da damit dann dasselbe geschehen würde und ich nur noch das alte im Kopf haben würde. Wobei: den habe ich mir gestern erst wieder rasiert – könnte das auf Zusammenhänge schließen lassen?
Wäre ein Fingerabdruck-Sensor eine Lösung dieses Problems? Oder die Gesichtserkennung? Für mich nicht.
Inneres Ich: „Warum nicht?”
Weil es nur eine oberflächliche Lösung wäre. Was, wenn sich überall diese Technik durchsetzen würde und der Fingerabdruck oder die Matrix des Gesichts in irgendeiner Datenbank oder an oder mit einem Gerät gehackt werden würde und sie fortan in Verbindung mit meiner Identität in der Welt unterwegs wären? Dann besäßen die Diebe für sämtliche Zugänge, für die heute noch änderbare Passwörter gebraucht werden, einen nie mehr änderbaren Generalschlüssel. Dass Technik-Freaks behaupten, dies könne nicht geschehen, es sei absolut diebstahlsicher, darüber brauchen wir kein Wort zu verlieren, denn nichts ist wirklich sicher. Wenigstens annähernd sicher ist alleine das Passwort und Tan-Verfahren in gegenseitiger Abhängigkeit. Die Vergesslichkeit gehört dann vielleicht einfach dazu, ist Teil der Sicherheit, wenn man so will. Unter diesem Blickwinkel betrachtet, war die letzte Nacht im Grunde eine erfolgreiche Sicherheitsüberprüfung.
Quinessenz: bleibe schlauer als ich und du lebst in Sicherheit.
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* Nachtrag: Nun ist’s eine Stunde her, seit ich über das Passwort-Problem geschrieben habe. Die Nerven sind wieder beruhigt und da schaltet doch ohne Vorwarnung plötzlich der Projektor der Erinnerung ein und erhellt das Hirn. Jetzt weiß ich wieder, weshalb ich bei dem Bank-Passwort ein anderes als mein übliches benutzt hatte. Ich war nämlich stinksauer, da die Bank jüngst mein Standardpasswort für die Neueinrichtung nicht annahm und mir vorschrieb, bestimmte Sonderzeichen dafür zu benutzen und es darüber hinaus eine Zeichenbegrenzung gab. Dabei ist mein übliches Passwort zu mehr als 99,9 % sicher, allein schon wegen seiner Anzahl aus Buchstaben und Zahlen – über 20 – die ich aber so flink tippe, wie andere 6 oder 8 Zeichen. Das ist mathematisch für Passwort-Knacker eine kaum lösbare Herausforderung, die jedenfalls die benötigte Zeit (Jahre!) nicht lohnen würde. Warum zwingt eine Bank mich zu einem unsichereren Passwort, nur um damit deren Vorgaben einzuhalten?
Deswegen gab ich halt missgelaunt nach und erstellte ein ganz anderes Passwort. Warum ich das aber wiederum vergessen hatte, bleibt mir ein Rätsel. Könnte also doch Demenz sein.
Inneres Ich: „Meine Rede!”
Ach du. Allein schon weil du das immer wieder sagst, stimme ich dem dann doch nicht zu. So!