Boah, seit Stunden ist mir schlecht. Was habe ich getan? Gestern Vormittag fand ein Großeinkaufstag bei Edeka statt. Die Regale im Markt waren überall ganz oder fast leer, was mich wunderte aber von meiner Nichte dahingehend erklärt wurde, dass erst wieder Montag aufgefüllt werde, weil es vorher keine Arbeitskräfte, sogenannte Auffüller, gäbe. Ob das stimmt, weiß ich nicht, klingt aber plausibel. Deshalb konnte ich nur die Hälfte des beabsichtigten Einkaufs erledigen. Vor den leeren Tiefkühlschränken lachten mich also nur vereinzelte Packungen eher allgemeiner Ladenhüter an bis auf, tja, das Verhängnis nahm hier seinen Lauf, zwei riesige Dosen Vanilleeis. Die Fächer darüber, darunter daneben – alle waren leer, was diesen beiden Dosen enorme Aufmerksamkeit verlieh. Okay, ich esse eigentlich kaum Eis, doch wie arg sie mich um Mitnahme anflehten, das erweichte dann doch mein warmes Herz und ich legte sie in den Einkaufswagen.
Vor Stunden nun nahm ich eine von den beiden aus dem Gefrierschrank in der Absicht, vielleicht ein Drittel des Inhalts zu genießen – es wurde aber die ganze Dose. Weil eine Familienpackung ja auch mit dem Inneren Ich und mir als Familie übereinstimmt, nicht wahr? Kurz danach wurde mir schlecht. Momentan schlurfe ich durch die heiligen Hallen meines Zuhauses und jammere in Endlosschleife: „Boah, wat is‘ mir schlecht. Mir ist sooo schlecht …” Selber Schuld, ich weiß.
An die Bedenkenträger unter uns: Nein, keine Sorge, das Eis war nicht verdorben, mir ist auch nicht im Magen übel und es sind keine Brech-/Verdauungsreize, die eindeutig auf eine Lebensmittelvergiftung schließen ließen – es plagt einfach das schlechte Völlegefühl einer totalen maßlosen Übersättigung.
Ein reales Luxusproblem der westlichen Konsumwelt? Das würde ich bei Eis nun nicht unbedingt sagen, Eis ist kein Edel-Lebensmittel. Überfressen ist auch eher ein allgemein menschliches Verhalten, das es überall in allen Gesellschaften mit was auch immer gibt. Die Völlerei ist so alt wie die Menschheit – und sogar im Tierreich nicht unbekannt. Sie entspricht eher der biologischen Natur, so viel mitzunehmen, wie man kriegen kann. Wenn ein Raubtier nach erfolgreicher Jagd sich schlingend die Wampe vollschlägt und anschließend den Tag in der Sonne dösend herumliegt, dann siehst du ihm als Beobachter schließlich auch nicht an, ob es sich schlecht fühlt. Für das allerdings seine Bewegungsunlust ein eindeutiges Indiz wäre. Auch die Völlerei moralisch oder sogar religiös negativ bewerten zu wollen, so etwas machen nur Menschen und es lässt nicht unbedingt auf deren Klugheit schließen. Man muss nicht immer alles tiefgründig bewerten oder verurteilen, manches ist einfach, was es ist. Wertneutral. Dazu gehört halt das Überfressen. Schadenfreude wäre angesagt aber keine erhobenen Zeigefinger.
Noch Fragen? Nein? Gut, weiteressen.