Morgen früh muss ich zur Jahreskontrolle zum Zahnarzt. Zwar habe ich ohne Zähne folglich auch keine Zahnarztangst mehr und die Wurzeln, Fundamente und Kronen für die künstlichen Beißerchen sind augenscheinlich in Ordnung, ebenso wird das Beheben von leichten unsichtbaren Schäden am Kunststoff des Zahnersatzes zwar wohl etwas kosten, doch auch das ist es nicht, weshalb ich wegen des Termins bereits heute keine unbedingt gute Laune habe (die mich dann wohl den ganzen heutigen Tag vom Internet fernhalten lassen wird) – nein, es ist einfach das Gefühl des Ausgeliefert-Seins auf dem doofen Zahnarztstuhl unter intensiver Beleuchtung bis hinein in die Poren der Haut, es ist die viel zu große körperliche Nähe zu unbekannten Menschen, die ich absolut nicht mag.
Inneres Ich: „Hast du ein Problem mit Nähe zu Menschen?”
Als Problem würde ich das nicht unbedingt bezeichnen. Im Grunde gehe ich ihr mein ganzes Leben lang einfach aus dem Weg. Schon als Kind war das so. Ich konnte die Angrapscherei der Erwachsenen noch nie leiden. Ja, später wurde mir meine Zurückhaltung von einigen Partnerinnen auch ein paarmal zum Vorwurf gemacht, aber diese „Schuhe” habe ich mir ernsthaft nie angezogen.
Es gibt ja Leute, bei denen es genau umgekehrt der Fall ist: die können nicht genug Nähe bekommen, ja, sie suchen förmlich tagtäglich danach. Ohne Berührungen und so weiter würden sie so schnell eingehen wie eine verdurstende Primel. Ständig sind sie am Tätscheln, Küssen und Umarmen. Das bewerte ich gar nicht, jeder ist, wie er ist, aber deshalb möchte ich meine eigene körperliche Distanziertheit dann auch nicht von anderen bewertet bekommen. Das wiederum können manche Leute nicht verstehen.
Naja, und das Hantieren von gleich zwei fremden Menschen an meinen Kopf und im Mund ist halt ein Paradebeispiel von Grenzüberschreitungen für mich. Ja, ich weiß, diese Übertretung der Distanz ist notwendig, alles okay, ist keine Beschwerde, doch gute Laune bekomme ich im Vorfeld deswegen eben nicht gerade.
In diesem Sinne tauche ich erst mal ab bis Donnerstagmittag irgendwann. Gehab dich wohl.
Wenn eine das verstehen kann, dann ich. Mir gehen Menschen auch “so” ganz schnell auf den Keks, und ohne Sicherheitsabstand isses noch furchtbarer.
Gerade eine Sendung zum Thema Demenz angehört in der wieder die Wichtigkeit der sozialen Kontakte hervorgehoben wurde. Es wird von den Fachleuten komplett ignoriert, dass es überzeugte Einzelgänger gibt die zufrieden sind.
Wünsche dir, dass der Zahnarztbesuch schnell vorüber ist. So wie du pflegst, bist du schnell wieder zuhause.
Das ist wahr, daran denkt man oft nur, wenn’s bereits zu spät ist und man nichts mehr bewusst dagegen unternehmen kann. Wäre eigentlich ein Zusatzpunkt für die Patientenverfügung. Fremdbestimmte soziale Kontakte? Nein Danke. Nur ob sich dann die Pfleger auch daran halten, ist fraglich.