Ganz zu Beginn die ersten zwei, drei Tage in der neuen Wohnung, da habe ich keine Fotos gemacht, denn bei 50 Kartons plus Möbel wusste ich nicht mehr, wo mir der Kopf stand. So langsam lichtet sich dieses Chaos. Der Offlinestatus bis zum 28. könnte ebenfalls als schicksalhaft angesehen werden, denn nach dem Aufbau der Tische und Computer konnte ich mich wegen der leichten Überforderung eines Herangehens eben nicht in die virtuelle Welt flüchten und alles andere um mich herum wenigstens temporär vergessen, will sagen, ich musste mich ranhalten, die analoge reale Welt einigermaßen neu zu ordnen.
Dabei steigerte sich täglich meine Begeisterung für die neue Wohnung. Obwohl ich mit der Neueinrichtung erst zur Hälfte fertig bin, ist der Aufenthalt dort so angenehm wie bisher nicht gekannt. Das lässt sich eigentlich am Besten anhand von kleinen Beispielen erklären. Begonnen mit dem Boden: ich laufe ja gerne (eher schlendere) nachts auf und ab; in der ehemaligen Bauernkate knarzte der Boden bei jedem Schritt, es sei denn, ich stieg die Treppe hinab und lief unten auf den kalten Fliesen. Jetzt hört man keinen Schritt, und selbst trotz Nachtschaltung der Heizung bewirkt die Fußbodenheizung, dass sich der Boden zwar nicht warm, so doch ganz und gar nicht kalt anfühlt.
Die Fenster sind seltene Doppelfenster. Also normales Thermopenglas, was ja bereits eine Doppelverglasung bedeutet, dann folgt eine innere Fensterbank, an die sich wiederum ein komplett zweites Außenfenster mit demselben Glas anschließt. Will man zum Beispiel ein Fenster auf Kipp stellen, muss man es bei beiden Fenstern machen; will man es ganz öffnen, müssen zwei Fenster geöffnet werden. Mag sein, dass manche Zeitgenossen so etwas als unkomfortabel empfinden, allerdings stellen sich heute bereits ungeahnte Vorteile für mich heraus. Als Höhlenmensch genieße ich die durch diesen Fensterbau entstehende absolute Stille, wenn sie geschlossen sind. Bedburg-Hau ist zwar nur ein Dorf, aber da die Wohnung in dessen Zentrum liegt, ist die Geschäftigkeit der Leute, vor allen Dingen zu den Stoßzeiten, enorm. Zwei große Einkaufsmärkte mit riesigen Parkplätzen befinden sich genauso in Sicht- und Hörweite wie deren Zufahrtsstraßen oder das Gemeindezentrum – dennoch liegt das Mietshaus am Rand getrennt durch einen Park an einer Seite und an der anderen Seite durch großzügig angelegte Vorgärten mit hohen Sträuchern und Bäumen (die endlich nicht mehr von mir im Zaum gehalten werden müssen; das übernimmt ein Gärtner, den alle Mieter anteilsmäßig bezahlen). Dahinter kommt dann erst eine gepflasterte Tempo 30 Zone für die Anwohner. Das Haus liegt also geschützt in einer Art Kokon. Durch die Doppelfenster dringen keine Geräusche von draußen herein. Es ist erheblich ruhiger hier als in der abgelegenen Kate. Das versteht keiner, dem ich es erzähle. Kann man sich ja auch kaum vorstellen, ist aber so. Einfach nur herrlich!
Der Schnitt der Wohnung ist ebenso sagenhaft: die kleine Küchenzeile besteht aus einem Erkeranbau, in dem wiederum drei wirklich große Fenster eingelassen sind. Dort passt mein runder, weißer, alter Küchentisch, den ich Anfang der 90er Jahre in Mönchengladbach vom Sperrmüll mitgenommen hatte, perfekt hinein. Er wurde so lange aufbewahrt, da seine Beine abschraubbar sind und er somit auf dem Söller nicht zu viel Platz einnahm. Ich wollte ihn partout nie entsorgen, da ich in den wenigen Jahren der Mönchengladbacher Wohnung daran stets sehr gene gesessen hatte. Eine schöne runde Wachtischdecke, schon verwandelt er sich in einen wechselnden urgemütlichen Hingucker. Es ist so wohltund, dort nun zu sitzen, zu essen oder Kaffee zu trinken – beinahe wie in einem Wintergarten, denn die drei Fenster ermöglichen den Blick in den den kleinen Park. Wie gesagt, ich mache Fotos, wenn alles fertig ist und der Zugang zur virtuellen Welt wieder besteht. Aber selbst auf den Bildern ist dieses Erker-Highlight kaum in seiner Gemütlichkeit einzufangen Übrigens gibt es sogar eine elektrische Belüftungsanlage, die man nach Wunsch oder Bedarf einschalten oder ausgeschaltet lassen kann und die dafür sorgt, dass selbst bei geschlossenen Doppelfenstern immer ausreichend Luftzirkulation in der Wohnung besteht. Das sind alles Merkmale eines Luxusappartements, doch man glaubt es kaum, das Haus gehört zum sozialen Wohnungsbau der 90er Jahre.
Die Nachbarn sind altersmäßig durchmischt, wobei es etwas mehr alte Leute sind, die hier wohnen. Bunt ist die Nachbarschaft ebenfalls. Bunt passt gut, denn selbst die farbigen Menschen sind mit unserem Kulturkreis kompatibel, da es Christen aus Afrika sind. Das Fundament unserer gemeinsamen Werte ist dasselbe. Der Islam und deren Jungmänner sind hier im Haus und im weiteren Karree der Luxus-Eigentumswohnungen unbekannt. Entsprechend gibt es auch keinerlei Schmierereien an den Hauswänden in dieser Gegend – die woken linken Dorfbewohner bevölkern diese Ecke einfach nicht.
Wie könnte ich so etwas Gutes fotografieren? Wie die Ruhe trotz äußerer Betriebsamkeit auf ein Bild bringen? Wie den Unterschied von Fußbodenheizung zu Heizkörpern optisch zeigen?
Bei der weiteren Einrichtung arbeite ich mich von Wand zu Wand vor. Es liegt also überall noch Werkzeug herum und von den 50 Kartons sind noch 13 abzuarbeiten. Die vielen Bilder hänge ich erst ganz zum Schuss auf. Eine Herausforderung für mich waren die Löcher in Beton für die Dübel der wenigen schwereren Dinge, die Vorhänge zum Beispiel. Aber seit gestern wurden sie gemeistert. Schau an, sogar mit meinen beiden linken Händen schaffte ich noch etwas, wenn man die Dauer für dieses Löcherbohren mal außer Acht lässt und nur das Ergebnis in Betracht zieht. Aber auch hier gilt: es sieht in Natura um ein Vielfaches besser aus als auf den folgenden Fotos.
Im Schlafzimmer herrscht noch Karton-Chaos. Also bedenke bitte, das, was du hier und jetzt siehst, ist nur ein Zwischenstand nach den schwierigsten handwerklichen Arbeiten (Lampen aufhängen, hier siehst du nur eine, mit über Kopf in die Decke bohren), Vorhangstangen anbringen, tonnenschweres Holzbild aufhängen). Alles, was folgt, ist Kür.
Dass jetzt hier 10 Fotos folgen, die den Eintrag recht lang gestalten, ist wohl eher egal, weil ich bis zum 28. ja nicht mehr täglich schreiben kann, es insgesamt also denselben Platz beansprucht. Klick auf ein Bild = größer.
Achja, auch noch etwas Lustiges: Die Telekom hat scheinbar ihr Versagen und ihren absolut unmöglichen Umgang mit mir als einen Kunden endlich eingesehen: ich werde seit Tagen beschenkt mit Extra-Datenvolumen und Gutscheinen aller Art für Mata Hari und Guillaume sowie einem Rückruf einer höheren Instanz mit Entschuldigungen, die schon fast peinlich wirken. Naja, was kann ich dazu weiter sagen?
Du bist der Georg im Glück! Das ist ein wunderschönes neues Zuhause. Und ja, auch ich hätte gerne ein Erkerzimmer. Du wirst sicher nochmal Fotos posten, wenn alles an seinem Ort ist.
Die vielen Bildschirme, so schaut es bei meinem Nerd auch aus, nur dass sich da ein netter Kater dazuringelt.
Was du schreibst über das Alter und seine Gebrechen, ich denke da ständig drüber nach. Seniorengerecht ist dieses alte Haus mit seinen Treppen nicht, und es einigermaßen in Schuss zu halten, fällt mir immer schwerer. Das Gerätehäuschen fällt gerade fast in sich zusammen und der Mann schafft es nicht mehr, das abzudichten.
Wir können einen Antrag auf eine Wohnung bei einer Stiftung stellen, die sich speziell um Künstler kümmert. Ich war da schon einmal vorstellig geworden und wir kamen ganz oben auf die Warteliste. Aber dann hat der Mann nicht mitgezogen…
Das einzige wovor mir bange ist, sind Nachbarn die einem mit Lärm und Gewohnheiten auf den Keks gehen. Das haben wir jahrzehntelang nicht gehabt, und davor graut mir ein bisschen. Und etwas auch der wenige Platz. Wir wohnen auf 120 qm und können uns so sehr gut aus dem Weg gehen.
Also die Nachbarn höre ich kaum bis jetzt. Das kann sich natürlich noch ändern – in der Kate war es lauter; die landwirtschaftlichen Maschinen drönten akustisch, irgendwie durchs Dach verstärkt, nächtelang durchs Haus. Und je nach Windrichtung drang der Verkehrslärm der nahen Landstraße auch ziemlich nervend bis bei mir. Nun will ich mal hoffen, dass es hier so ruhig bleibt, eine Garantie gibts nicht. Wo Menschen sind, ists meistens laut. Du hast die Change 50 zu 50 ob du dich gestört fühlen wirst. Ein Risiko, ja, das stimmt, aber welche Alternative hättest du? So lange warten, bis jemand anderes für dich die Entscheidung trifft? Ist schwierig das alles, ich weiß. Die Frage ist außerdem, ob man so etwas überhaupt planen kann. ICH hatte nichts geplant, darum glaube ich mittlerweile wirklich an Schicksal. Sollte es so sein, spielen Ängste und Sorgen eh keine Rolle. Annehmen und das Beste daraus machen. Aber auch das hört sich blöd an – ich hatte in meinem Dasein nie einen Rat für andere, und ich habe keinen. Auch wenn man stets versucht ist, eigene Erfahrungen auf andere anzuwenden, das wäre wirklich blöd, da jeder Mensch und jeder Lebensweg doch völlig unterschiedlich ist. Was (mir) bleibt, ist dir viel Glück und alles Gute zu wünschen; das mache ich aus vollem Herzen!
Dass Du es so gut angetroffen hast, freut mich sehr. Und die Arbeit hat sich doch wirklich gelohnt – den klitzekleinen Rest 🙂 wirst Du doch auch noch schaffen.
An dem gemütlichen Essplatz kannst Du es Dir wirklich gut gehen lassen … die Aussicht ist wunderschön. (Ich habe mir immer schon ein Erkerzimmer gewünscht, das werde ich wohl in diesem Leben nicht mehr bekommen…. was solls, es geht mir gut in unseren Vierwänden und das ist doch die Hauptsache. Auf den Luxus einer Fußbodenheizung würde ich nicht mehr verzichten wollen … Das ist einfach klasse.
Also, lieber Georg, weiterhin alles Gute – und bis später!
Vielleicht ist das alles ja viel weniger Glück, weil ich “so’n toller Mensch” bin als vielmehr eine schicksalhafte Konsequenz, die schon vor Jahren begann. Denn ich bemerkte schon, dass mir die Arbeit am Haus und sogar das bloße Treppensteigen mehr und mehr zu schaffen machte und die Gedanken um eine Lösung dieses Problems eigentlich nur in einer Wohnveränderung liegen konnte, was ich natürlich nicht wahrhaben wollte, die Gedanken darüber strikt abstellte – sie aber dennoch im Unbewussten das Hirn umwoben. Beine, Knie, Hüfte und Rücken, es ist wirklich schlimm geworden, also hatte ich die erste glückliche Fügung sofort beim Schopfe gepackt – sofort ohne zu fragen, diese Chance angenommen. Dass es so fantastisch werden würde, war anfangs überhaupt nicht abzusehen. Da meinte es das Schicksal einfach gut mit mir und ich habe ihm dafür gedankt. Bis heute, denn ich sehe mich hier bereits wie die Nachbarn und vielleicht früher als gedacht mit einem Rollator hantieren. Alles ebenerdig hier – in der Kate wäre so ein Leben viel zu beschwerlich geworden. Also großes Glück gehabt aber auch im richtigen Moment die besten Entscheidungen getroffen, zusammen sind es ein Paar gute Laufschuhe.