Der Schlaf-Wach-Rhythmus normalisiert sich derzeit wieder auf nachts wach sein und Tagesschlafenszeit. Endlich. Da ich ja jetzt an der „West Side of Schneppenbaum” wohne (Schneppenbaum ist ein eingemeindeter Ort von Bedburg-Hau), also ähnlich wie in New York: auf der einen Seite am Central Park gelegen und dennoch mitten in der City, ist der Fußweg zu allen Geschäften des täglichen Bedarfs binnen Sekunden erledigt. Demnach habe ich mir in der Postfiliale ein Schließfach für die Briefpost zugelegt, was erstaunlicherweise nur 22 Euro pro Jahr (!) kostet und dessen Schlüssel ich heute abgeholt habe. Das bedeutet: keine Klingelei mehr vom Postboten. Fußweg zum Postfach: 400 Meter. Oder in Minuten ausgedrückt: 3 Minuten. Parterre, flach, ebenerdig. Der Weg vom 3. Stock einer Düsseldorfer Altbauwohnung zum Briefkasten im Eingangsbereich und wieder zurück ist anstrengender und zeitaufwendiger.
Dann hatte ich heute Lust auf Käse und mir nur einen Gouda-Käse am Stück gekauft. Mehr nicht. Normalerweise ein hoher Aufwand bis zu Aldi oder Edeka. Wenn man den schon auf sich nimmt, ob nun mit dem Auto oder dem Fahrrad, dann kauft man direkt mehr für die kommenden Tage ein. Aldi liegt 150 Meter, Edeka 250 Meter von mir entfernt. Dafür ziehe ich selbst bei dem Winterwetter nicht mal einen Parka über und könnte sogar die Pantoffeln anbehalten. Der Fußweg ist in übersichtlichen Sekunden messbar. Bedenkt man dann noch die Öffnungszeiten von 7:30 Uhr bis 21 Uhr durchgehend, so steht dort in gewisser Weise nun mein Kühlschrank, aus dem ich mich zum Strom-Nulltarif bedienen kann.
Dasselbe gilt für die Paketstation von DHL und einige andere Geschäfte, Dienstleister (Post und gleich zwei Banken), Pizzeria mit vielen Stühlen draußen für den Sommer, Arzt, Apotheke oder die öffentliche Verwaltung. Alles in Pantoffeln binnen Sekunden erreichbar. Und trotzdem sehe ich aus den Erkerfenstern die Enten, die von ihrem kleinen Teich im Dorfpark gemütlich bis direkt vor meine Fenster watscheln, weil viele Nachbarn Vogelhäuser besitzen. Auch für die Vögel ist diese Gegend ein Schlaraffenland, was mich sehr freut – eben „The West Side of Schneppenbaum” für Mensch und Tier gleichermaßen.
Frühstück hatte ich schon, jetzt gibt’s nach zwei Episoden der 6. Staffel von „The Crown” erst mal Lunch. Eine leckere Pizza Funghi mit großzügig geschnittenen Gouda-Streifen zusätzlich belegt. Ab morgen muss ich wieder ein paar Nächte arbeiten, danach versuche ich mich dann endlich (vielleicht) als Filmemacher.
Bis morgen in alter Frische.
Bist im Paradies angekommen!
Als wir hier an den Stadtrand zogen, gab es keinerlei Geschäfte. Es war sehr dörflich, aber durch zunehmende Bebauung von Wohnraum hat sich das geändert. Ich könnte auch zu Fuß, aber für zwei Personen die täglich gut essen möchten, muss ich doch meinen Smart bewegen.
Hast du denn auch wieder ein Vogelhäuschen installiert? Warst ja immer ein großzügiger Fütterer.
Ach, da sprichst du etwas an, Barbara, das ich eigentlich selber zu unterdrücken versuche, denn es tut mir unendlich leid, dass die Vögel im alten Zuhause nun größtenteils hungern und vielleicht sogar verhungern werden. Nun weiß ich, das Meisen nur ein bis zwei Jahre alt werden, sie werden sich einfach nicht mehr weiter fortpflanzen. Spatzen sind zäh und erfindungsreich, leben in großen Familien und werden sich wahrscheinlich in der Gegend andere Nahrungsquellen erschließen. Die Buntspecht-Population, die sich nur durch meine Fütterung vervierfacht hat, wird auch wieder schrumpfen. Aber das Bild vor meinem inneren Auge, wenn ich daran denke, wie die Vögel zur nun leeren Futterstation fliegen und sich wundern, dass es dort nichts mehr zu essen gibt – sie verstehen die Welt nicht mehr – dieses Bild tut mir im Herzen weh und ich versuche es zu verdrängen.
Hier in der neuen Wohnung ist es unnötig eine weitere Fütterungsstation zu betreiben, denn jede zweite Wohnung besitzt ein oder sogar mehrere Vogelhäuser und Meisenknödel, die unzählbar sind. Die Nachbarin zur Linken füttert eine solche Menge pro Woche, wie ich in zwei Monaten verfüttert habe. Also brauche ich mir diese Verantwortung kein weiteres Mal antun. 25 Jahre war ich für eine ganze Vogelpopulation verantwortlich, das hat im Jahresdurchschnitt mehr als monatlich 50 Euro gekostet. Damit habe ich genug getan – würde es vielleicht erneut machen, wenn nicht so viele Nachbarn das erledigen. Vielleicht werde ich’s dann wieder tun, wenn die älteren Nachbarsfrauen (es sind tatsächlich alle Frauen, die füttern) vor mir das Zeitliche segnen und ihre Nachmieter nicht füttern – aber auch ich kann prinzipiell jeder Zeit meine Löffel abgeben, und die Vorstellung, erneut für ein Massenverhungern verantwortlich zu sein, lässt mich Abstand von dieser Idee des Fütterns nehmen. Das eigene Vergehen ist ja auch der Grund, weshalb ich nach Elli, nach insgesamt über 30 Jahren eines 24-stündigen Zusammenlebens mit einem Hund, keinen weiteren mehr anschaffe, denn ich kann einfach nicht garantieren, weitere 10 bis 15 Jahre noch auf dieser Erde zu verweilen. Mögliche Krankenhausaufenthalte kommen noch hinzu. Diese Verantwortung will und kann ich heute schlichtweg nicht mehr übernehmen. Natürlich hätte ich gerne wieder eine Hündin aus dem Tierheim; du glaubst gar nicht, wie dankbar, freundlich, treu und lieb so ein Hund ist. Aber gerade deshalb möchte ich ihr meinen möglichen oder von Jahr zu Jahr immer wahrscheinlicher werdenden Verlust nicht antun.
Hachja (ein tiefer Seufzer).
Es ist erstaunlich, wie gut das Gedächtnis der kleinen Vögelchen ist. Vielleicht finden sie ja einen neuen Futterplatz in etwas weiterer Entfernung.
Wir hatten jahrzehntelang Katzen, als die letzte ging, gab es keine weitere mehr. Als ich mich in 2019 monatelang nicht rühren konnte, und zwischenzeitlich auch der Mann durchhing, waren wir froh, keine Verantwortung mehr für ein Tier zu haben. Nicht jeder ist so vernünftig. Kürzlich wurden Plätze für zwei wunderschöne noch junge Berner Sennenhunde gesucht. Da hatten sich jeweils ältere Paare diese zugelegt und waren komplett überfordert. Kannste nur den Kopf schütteln.
So isses, die vermeintliche Liebe zu den Hunden ist eigentlich nur Egoismus, hübsch durch edle Motive getarnt, so dass man selber glauben kann, gut zu sein. Das sehen wir ja heute in vielen Bereichen genauso.
Naja, was die Vögel betrifft, so bin ich heilfroh, dass der Garten bereits zu einem Urwald verwildert ist. Voller Unterholz mit einer Menge Insekten. Und noch haben wir keinen Schneewinter am Niederrhein.