Mentale Notwendigkeiten (lieber Decke über’m Kopf als vom Wirklichkeits-Wahnsinn wie in einem Nebel verschluckt zu werden) führten heute zu einem Nachholen des verlorengegangenen Schlafs. Oder kurz: meine Wenigkeit hat ausgeschlafen, will sagen, 4 Stunden länger als gewöhnlich. Somit begrüßte ich die verrückt gewordene Welt heute im Abenddämmerungszustand gegen 19 Uhr. Oder jetzt im Tagebuch gegen 21:20 Uhr. Guten Morgen!
Und schon geht’s im hiesigen Kopfhaushalt wieder ums TV und um eine Serie. „Mensch, nee, das nimmt ja schlimme Ausmaße an”, stöhnt das Innere Ich. Es ist aber so, dass ausgerechnet heute, und darauf freue ich mich wie Bolle, noch die letzten beiden Episoden (insgesamt sind es 8) von „Ripley” anstehen, einer mit 10 (von 9) Georg-Punkten bewerteten Krimiserie im Stil der 1930 bis 50er Jahre. Sie ist per Netflix für fast jedermann zu sehen, was ich sehr schön finde, da mit ihr etliche Stunden eines wirklich tollen Genusses möglich sind, mit dem man aus der Welt des Wahnsinns prima entfliehen kann.
Also: zuerst einmal ist es weniger eine Serie als ein langer großartiger Spielfilm. Durchgehend in schwarz-weiß gedreht, was nicht nur nicht stört, sondern dem Genuss sogar noch eine Schippe obendrauf legt. Einfach nur wunderbar dieses Stilmittel! Der zweite wichtige Aspekt ist wohl die Kamera. Jede Szene könnte als eigenständiges Standbild vergrößert, ausgedruckt und hinter Glas als Bild an die Wand gehängt werden. Die Bildkompositionen sind einzigartige eigene Kunstwerke. Die Kameraführung hat gemeinsam mit der Requisite perfekte Arbeit geleistet. Allein diese Mühen der Äußerlichkeit verdienen einen Oscar bzw. das Pendant für TV-Serien. Inhaltlich wird eine geradezu geniale Psycho-Story erzählt, wie man sie ähnlich noch bis Mitte der 60er Jahre verfilmte. Von Hitchcock über Truffaut bis hin zur visuellen Ästhetik der Nouvelle Vague ist dieser lange Film ein Augenschmaus und Krimigenuss zugleich. So etwas hat man schon lange nicht mehr in solch einer vollendeten Perfektion gesehen. Es fällt mir schwer, die richtigen Worte für dieses Highlight zu finden, aber dir wird die cineastische Ausnahmeerscheinung garantiert ebenso gefallen wie mir, weil hier gleich mehrere Stile bedient werden, so dass ein breit gefächerter Geschmack des Publikums bedient wird.
Zuerst dachte ich, mir genüge eine normale Auflösung von 720 Pixel, doch mittlerweile (nach nur wenigen Folgen) habe ich mir die Serie in HD-Qualität mit satten 2 bis 3 GB Dateigröße pro Episode fürs Archiv besorgt – und das, obwohl es gar keine Farben gibt, die hochauflösend besser zur Geltung kämen, sondern einzig und allein, um von diesen exzellenten und atemberaubenden Bildern keinen Verlust hinnehmen zu müssen.
Mir gehen die Superlative für „Ripley” aus. Die Serie solltest du unbedingt anschauen. Es lohnt, es lohnt, es lohnt sich; mehr kann ich dazu gar nicht sagen.
War ein guter Tip, danke!
Ich hatte ganz vergessen, wie sehr ich schwarz/weiß Filme vermisst habe. Ganz früher konnten wir Bayern den „Österreicher“ empfangen. Alles was ich an alten Filmen je gesehen habe, stammt aus dieser Zeit.
Ripley die Serie ist anders und deutlich besser erzählt als Minghella’s Film (der sich hauptsächlich in süditalienischen Klischees ergeht). Bisschen lachen mussten wir auch: ständig wurde treppauf treppab gegangen, durch Gässchen gelaufen, und dem Regisseur hat es sehr gefallen, den Retro Bus die Serpentinen fahren zu lassen. Bei der Ankunft dann eine Totale des Ortes. Es gab auch immer wieder die schweren Koffer durch den Ort zu wuchten, oder in die Züge, oder den lästigen Bus. Und später tauchte der Hausmeisterkatz in jeder zweiten Einstellung auf. Ach ja, und der Mechanismus der Eiswürfelboxen hatte es ihm angetan. Das wurde immer wieder ins Bild geholt.
Das soll jetzt keine Kritik sein, wir haben uns nur darüber amüsiert.
Next: „Nur die Sonne war Zeuge“ noch mal sehen. Und das Buch von Patricia Highsmith lesen.
Genau das fand ich auch lustig: die vielen Treppen! Die gelten ja als sowas von romantisch, doch was es heißt, sie täglich benutzen zu müssen, da machen dann selbst die Italiener schlapp, so wie der Kommissar, der dann für das nächste Zeugenverhör die Protagonistin dreist nach Rom geladen hatte, weil er sich vermeintlich dieser Qual nicht noch einmal aussetzen wollte. Auch das mit dem Bus, da musste ich ebenso schmunzeln, erinnere ich mich doch noch an diverse Geschichten anderer und die eigene Fahrt, die ich auf der kleinen Ladefläche eines Dreirad-Transporter-Mopeds in Griechenland 1987 mitgefahren war und mit dem ein alter Mann uns halsbrecherisch durch halb Athen kutschiert hatte: Horror, sag ich dir 🙂 Ja, auch die Katze fand ich toll, ihr Blick – einfach nur herrlich in dem Zusammenhang. Und es gibt noch eine Menge mehr in den Bildern zu entdecken. Also bildmäßig ist der Film wirklich großartig. Die Dreharbeiten müssen doch ewig lange geplant, vorbereitet und gedreht worden sein (ich habe keine Ahnung, schätze ich einfach mal), jedenfalls kenne ich nichts Vergleichbares neuerer Produktionen. Was ich auch sehr lustig fand, das waren die stümperhaften, definitiv untalentierten Malversuche des Amerikaners – alle Betrachter dachten das (so kam es herüber, finde ich), doch keiner wagte es als einen ebensolchen Dilettantismus zu bezeichnen.
Also ich werde mir diese Serie sicher noch mehrmals anschauen. Man braucht nur Zeit dafür.
Apropos Zeit, ich habe aktuell mit einer „alten” Serie aus dem Archiv begonnen. Jetzt also das zweite Mal. „Rectify” – wobei ich ab der zweiten Staffel die Gefängnisszenen in der Erinnerung des Protagonisten mit schnellem Vorlauf überspringe, denn ich finde sie meist überflüssig bzw. ohne deren nachhaltig doppelte Erklärung wird die Handlung wesentlich flüssiger, spannender und für den Betrachter verständlicher (der Regisseur bzw. Drehbuchautor hätte den Zuschauern mehr eigene Intelligenz zutrauen können). In dieser Art und Weise des kurzen Vorspulens erlebe ich die Serie aber verjüngt neu und finde sie klasse.
Wir hatten letztens den Film angeschaut und uns dabei einigermaßen gelangweilt.
Und deshalb die Serie eigentlich verworfen. Aber wenn du es so warm empfiehlst…wir gucken dann mal.
Bin gespannt, wie ihr sie findet. Bitte berichte!