Grundsätzlich, also eher „philosophisch betrachtet” und hip und modern sowieso, bezeichne ich meine Wenigkeit als Agnostiker, da ich meinen Atheismus letztlich nicht beweisen kann. Mir ist es egal, ob es einen Gott gibt oder nicht. Falls es einen gibt, so hätte ich ihm eine Menge zu sagen, ich meine vorzuwerfen. Falls es keinen gibt, so wäre belegt, dass die gesamte Theologie aller Religionen der Welt nur ein verzweifeltes Gestammel ist, um das Zusammenleben der Menschen mehr oder weniger gerecht zu regeln.
Ideologien und Religionen sind für mich vom Wesen her identisch. Zu grauer Vorzeit konnte man Ideologien noch nicht verbreiten und münzte sie als Religionen, als etwas Gottgegebenes um. Heute, seit der ach so beschworenen Aufklärung, wird einfach das Etikett getauscht und an Stelle von Gott tritt der genauso nebulöse Begriff „die Wissenschaft”. Für den Nicht-Wissenschaftler Otto oder Lisa Normalverbraucher ändert sich dadurch aber nichts, denn von ihnen wird gleichermaßen gefordert, sie sollen gefälligst daran glauben. GLAUBEN! Wer es nicht tut, wird wie eh und je sanktioniert.
ABER:
Nun ist nicht alles Religiöse oder Ideologische schlecht. Eine Gemeinschaft braucht für ihr Zusammenleben Regeln und Normen. Und hier kommt Pfingsten ins Spiel: Wie man den Geist, den Hauch Gottes, der auf die Menschen niederkam, auch beschreibt, der Ursprung dessen sind die 10 Gebote, die Gott dem guten Moses mitgegeben hat. Sie sind im Grunde eine erste Sammlung fundamentaler Regeln, die aus den Erfahrungen verschiedenster Kulturen seit Anbeginn der Menschheit entstanden. Sie bereiten dem anarchistischen Recht des Stärkeren ein Ende, indem die wichtigsten Regeln als Gesetze festgelegt wurden, an die sich jeder zu halten hat. Durch sie kann also eine zivile Gesellschaft in Rechtssicherheit gedeihen. Es sind in Wahrheit keine religiösen Regeln, es sind schlicht und ergreifend die Erfahrungen eines gedeihlichen Zusammenlebens, die aus ihnen sprechen, und zwar über den Familienverband, den Clan, hinaus. Damit sich auch alle, besonders die Stärksten und machtbesessenen Egoisten an sie halten, brauchte es den allmächtigen Überbau eines Gottes, der als ein aller-aller-mächtigster Richter fungiert und selbstredend bei Nichtbefolgung mit Strafe droht. Da sich diese Gebote supergut bewährt haben und in verschiedenen Formen in allen erfolgreichen Gesellschaften so oder so ähnlich präsent sind, kann ich sie sogar als Nichtgläubiger annehmen und feiern. Denn man sollte die eigenen Werte wertschätzen, daher ist Pfingsten auch für mich als Heide etwas Besonderes.
In diesem Sinne: Frohe Pfingsten.
Es herrscht auf der Welt aber permanent Regelverstoß.
Am sympathischsten ist mir noch die jüdische Religion. Leben im Jetzt, es gibt kein Leben nach dem Tod. Nach diesem wird 8 Tage Shiva gesessen und das Leben geht weiter. Vernünftige Ernährungsregeln. Pragmatischer geht es nicht.
Und aktuell sieht man, diese Menschen haben einen moralischen Kompass, der der Gegenseite fehlt.
Ja natürlich, Erfahrungswerte als Pragmatismus in göttliche Regeln gegossen, dann hält sich zum eigenen und dem Wohl aller auch jeder daran. Da gibt es meinerseits gar nichts zu meckern.
Spiritualität und Trost, das sind individuelle Dinge außerhalb einer Gemeinschaft, die in allen Religionen ähnlich ablaufen und zu einem guten Ergebnis führen. Das geschieht aber genauso außerhalb von Religionen mit einem ebensolchen guten Ergebnis. Auch daran gibt es nichts auszusetzen – wobei man sich durchaus die Frage stellen sollte, inwieweit es Sinn macht, Kinder und Jugendliche zum Beispiel an der Teilnahme von katholischen Andachten oder gar des lähmenden Hochamtes zu zwingen (was in meinem Leben der Fall war), denn wie man an mir sehen kann: Es führt zum Gegenteil des Beabsichtigten 🙂 Allerdings haben die Katholiken wirklich den Bogen raus, für ältere Menschen die Kirchenräume und die in ihnen zeremoniellen Riten wahrhaftig spirituell zu gestalten. Budenzauber, sagen die einen, heilig, so nennen es die anderen.
Das Christentum war ja nun lange für die europäische Gemeinschaft identitätsstiftend. Diese Zeiten sind aber vorbei. Das kann man bedauern oder auch nicht – wenn man allerdings die Abermillionen Opfer, die durch Religionskriege der Christenheit entstanden, auf eine Waagschale legt, dann frage ich mich, was auf der gegenüberliegenden Seite der Waage zu legen wäre, das dieses unfassbare Leid auch nur ansatzweise auszugleichen in der Lage wäre. Mir sind christliche Fundamentalisten bis heute unheimlich. Um sie gehe ich lieber in einen Bogen als auf sie zu.
Ähnlich denke ich über jede andere Religion auch. Im Moment erleben wir, wie unter dem Mantel des Islams die Welt in Abgründe gestürzt wird. Mehr Leid ist kaum noch vorstellbar. Also wenn man in der Rechnung aller Religionen, ich meine alle zusammengenommen, einmal einen Strich zieht, dann wäre ich nicht sicher, ob sie der Menschheit mehr Nutzen gebracht oder doch mehr geschadet haben.
Es ist nun so, dass im Laufe eines langen und womöglich anstrengenden Lebens von Jahr zu Jahr die Sehnsucht nach Ruhe und Geborgenheit wächst. Der Wunsch als Kind nach der schützenden Mutter usw. – das machen sich die Religionen natürlich zunutze und bieten dafür etwas an. Das ist sicher eine schöne Sache, und ich wünsche allen alten Menschen, die auf diese Weise Ruhe und Frieden finden, nur das Allerbeste, doch zumindest für mich reicht so etwas nicht aus, um aus mir einen religiösen Mann zu machen. Da könnte selbst Gott höchstpersönlich mich ansprechen, dann würde ich ihm erst mal die Aufgabe zuweisen, sein erschaffenes Werk endlich zu reparieren, bevor ich auch nur einen Gedanken verschwenden würde, seinem Club als Mitglied beizutreten.
Eigentlich haben wir das benötigte Rüstzeug für eine friedliche Welt und für ein ausgeglichenes Innere längst in uns selber. Es ist die Liebe. Sie stellt weder Bedingungen, noch Forderungen, sie ist grenzenlos wie das Universum. Wenn etwas göttlich ist, dann ist es sie, die Liebe. All You Need Is Love.