Filmtipp: „The Artifice Girl”

Guten Morgen, es ist jetzt 18:00 Uhr und ich möchte nur kurz das gestern Versprochene abliefern, nämlich etwas zum Spielfilm „The Artifice Girl” schreiben. Dabei weiß ich, dass viele Leute nicht auf Sci-Fi stehen und möchte dringend vorweg sagen: Es ist KEIN üblicher Sci-Fi-Film. So, wie er präsentiert wird, ist es nicht mal ein Film, sondern viel eher ein Theaterstück, das aber wirklich zu fesseln in der Lage ist.

Die Handlung geschieht nur innerhalb von drei Räumen (oder vier? Siehst du, das fällt nicht einmal auf). Ideal für die Bühne, ein Kammerspiel. Ungeeignet m.E. als Film, es sei denn, dem Zuschauer wird vorher gesagt, dass es sich nicht um einen herkömmlichen Spielfilm handelt. Die Akteure sind vier Menschen, zwei Frauen und zwei Männer, das war’s. Trotzdem nicht abschalten, möchte ich rufen, denn es kommt nicht eine Sekunde Langeweile auf.

Um was es geht, das wage ich ja kaum zu sagen, denn dann schalten garantiert wieder Heerscharen möglicher Zuschauer ihr Interesse ab, was aber, ich kann mich nur wiederholen, falsch wäre. Es geht um KI, also die künstliche Intelligenz, und besonders um die Frage, ob, und wenn, wie sie aus dem Korsett von Input ausbrechen und eine eigenständige Bewusstwerdung des Ichs erfahren kann.

Eine philosophische Sache, ist hinlänglich bekannt. Es gibt jene rationalen Zeitgenossen, die behaupten, die KI wäre immer und ewig allein abhängig vom Input und könne daher nie eigene Entscheidungen treffen, die diesen Rahmen des Inputs verlassen; deshalb wäre sie schon gar nicht in der Lage, jemals eine eigene Bewusstwerdung als Persönlichkeit anzunehmen. Das stimmt natürlich – unter den getroffenen Annahmen, Definitionen oder Voraussetzungen. Was ich aber bei diesen rationalen Leuten immer kritisiere, das ist ihre einseitige Sichtweise, die alles vom Menschen aus betrachtet und eine Persönlichkeit stets mit der eines Menschen vergleicht. Also eine KI kann genauso wenig zu einem Hund oder einem Affen werden wie zu einem Menschen, das ist klar, ein Mensch kann schließlich auch nicht zu einem Hund oder Affen werden, doch eine selbstständige Persönlichkeit, die sich ihrer bewusst ist, muss (rein theoretisch) nicht alleine die eines Menschen sein. Das dazu. Auf der einen gedanklichen Seite.

Auf der anderen Seite steht die (meine) Behauptung, dass uns, also uns Menschen, nichts wirklich unterscheidet von der KI. Was wir als Input definieren ist am Ende prinzipiell nichts anderes als das, was auch ein Baby, ein Kind, ein Erwachsener im Laufe seines Lebens außerhalb körperlicher Erfahrungen (!) erlernt; und zwar ist es immer nur ein Spiel der äußeren Realität mit den inneren angelegten Instinkten, wozu ich die Genetik ebenso wie den Chemiehaushalt des Körpers zählen möchte. Doch allein über den Körper sind wir als Persönlichkeit sicher nicht definiert.

Dabei besteht der Input aus bewussten sowie unbewussten aufgenommenen Reizen oder Informationen in einer zahlenmäßig nicht mehr fassbaren Menge. Das Gehirn eines Menschen aber auch das z.B. eines Hundes ist für diese Aufgabe tatsächlich jedem Hochleistungsrechner der Informatik überlegen. Im Film gibt es nun die Annahme, dass diese Rechenleistung unbegrenzt sei, was sie zweifelsohne beim unterbrechungsfreien Fortschreiten der technischen Entwicklung irgendwann auch sein wird. Danach erst wird die Frage der Bewusstwerdung der KI als eine solche interessant. Und genau hier setzt der Spielfilm an.

Persönlich wirkt die Geschichte sogar bis heute nach – na klar, ich schreibe ja gerade darüber – aber ich schreibe darüber, eben weil sie in meinem Gehirn nachwirkt.

Ist es also ein psychologischer oder philosophischer Film? Ja und nein. Ja, natürlich deswegen, da sich diese Fragen der Sinnhaftigkeit im Anschluss beim Zuschauer einstellen; aber nein, da sie es beinahe unbewusst tun und die Handlung alleine eine gute Geschichte ist. Man bemerkt also gar nicht die gewisse Tiefgründigkeit des Films. Er ist ein gelungenes Spiel zwischen Gedanken und der Realität, wobei ich das Augenmerk auf den Begriff des Spiels legen möchte, denn es geschieht nichts irgendwie hochtrabend, kaum verständlich oder irre abgedreht wie von irgendwelchen Nerds, sondern klar, einfach aber, wie gesagt, unbewusst nachwirkend und anregend zum weiteren Nachdenken.

Inhaltlich gebe ich dem Spielfilm satte 10 von 9 Punkte. Cineastisch ist der Film schlecht oder nicht bewertbar, da ich finde, ein Film ist nicht das richtige Medium. Aber nochmal: Selbst unter diesen Gesichtspunkten entsteht beim Zuschauen nicht eine Sekunde Langeweile!

So, das dazu. Bestimmt habe ich mich schlecht ausgedrückt, besser krieg ich’s aber nicht hin. Ansonsten gilt: Genieße den Sonntag, wettertechnisch durchwachsen, naja, wirklich kalt ist es schließlich nicht. Perfekt für einen Spaziergang mit Regenschirm in der Tasche (knirpsartige Mini-Schirme gibt es fast für lau gerade im Aufsteller bei Rossmann).