Hessens Innenminister, Roman Poseck von der CDU (!), sagt, dass zum Schutz gegen „Desinformation” in den sozialen Medien verstärkt durch den Verfassungsschutz vorgegangen werden solle. „Auf den Plattformen der sozialen Medien sammeln sich zum Teil ungefiltert Meinungen, darunter auch gezielte Falschnachrichten”, so seine Begründung, „die Auswirkungen von Desinformation können daher für unsere Demokratie verheerend sein”.
Man beachte mal wieder die Verwendung des Begriffs „unsere Demokratie”. Meint er damit „seine” Demokratie, dann ist seine Sorge natürlich verständlich. Meint er aber die Demokratie aller Menschen im Lande, so irrt er eben, denn „ungefilterte Meinungen” sind geradezu der Wesenskern einer Demokratie, oder andersherum ausgedrückt, eine Demokratie mit gefilterten Meinungen ist keine Demokratie.
Ob eine Meinung falsch oder richtig ist, hat der Staat nicht zu entscheiden. Grenzen der Meinungsfreiheit werden im Grundgesetz und im Strafrecht festgelegt. Darüber hinaus bedarf es keiner Zensur- oder Bewertungsbehörde.
Was ist eine richtige Meinung oder eine falsche?
Herr Poseck von der CDU beantwortet diese Frage sogar selber: „Russland nutzt gerade vor dem Hintergrund seines Angriffskriegs auf die Ukraine gezielt Desinformationen, um die internationale Öffentlichkeit zu beeinflussen und die Glaubwürdigkeit der ukrainischen und anderen Regierungen zu schwächen. Ähnlich gravierend war die Flut an falschen Behauptungen rund um die US-Präsidentschaftswahlen, die das Vertrauen in demokratische Prozesse nachhaltig erschütterte. Besorgniserregend ist aktuell die Einmischung des Chefs der Plattform X, Elon Musk, auf politische Inhalte in Europa. Auch die Ankündigung von Meta-Chef Mark Zuckerberg, die Faktenprüfung bei Facebook und Instagram einzustellen, ist kein gutes Signal.”
Nun weiß jeder, dass es in einem Krieg immer mindestens zwei gegensätzliche Meinungen gibt. Beide muss man kennen, um für sich selber bewerten zu können, wessen Ansicht man unterstützt oder wessen nicht. Von vornherein bereits eine der beiden Ansichten als falsch zu klassifizieren und sie dann auch noch als Desinformation zu verbieten, das ist nicht nur undemokratisch, nein, genau so etwas führt erst zu Missverständnissen und in letzter Konsequenz zu Kriegen.
Jede Demokratie lebt von der Auseinandersetzung unterschiedlichster Meinungen. Eine andere Meinung ist keine Desinformation. Eine Verbreitung von Lügen wird durch die Realität kontrolliert. In jedem Wahlkampf werden Lügen (oder freundlich als Unwahrheiten bezeichnet) verbreitet. Würde man jeden Lügner zensieren, wäre Deutschland ein sprachloses Land.
Nein, es geht dem Herrn Poseck wie auch Herrn Merz und allen anderen Kritikern der Meinungsfreiheit nicht um die Demokratie im Lande, sondern nur um die Deutungshoheit, welche Meinungen nicht mehr gesagt werden sollen, nämlich jene, die ihnen unangenehm sind, die ihnen nicht passen. Die anderen Meinungen, die nützlich für sie sind, sollen natürlich nicht zensiert werden, selbst dann nicht, wenn die Realität sie längst als Lügen entlarvt hat.
Zensur bedeutet immer auch die Herrschaft der Lüge.
Da das die Mütter und Väter des Grundgesetzes aus bitterer eigener Erfahrung genau wussten, sorgten sie dafür, dass unser Grundgesetz als Säule unseres Gemeinwesens die freie Meinungsäußerung stützt. Handelt ein Verfassungsschutz dagegen, handelt er schlicht und ergreifend verfassungswidrig. Nun, er macht als Behörde relativ unschuldig immer nur das, wozu die zuständigen Minister ihn anweisen. Demnach instrumentalisieren ihn gerade solche Minister wie Herr Poseck für die eigenen Zwecke. Sie, die „Befehlsausgeber” sind es, die der Demokratie im Lande, also der Gesellschaft als Ganzes, Schaden zufügen. Die Medien, die solche Art der Zensur unterstützen, machen sich mitschuldig am daraus entstehenden Schaden.
Das zu verstehen, ist eigentlich nicht schwer, trotzdem wird diese Gefahr, die von einer Zensur ausgeht, von der Normalbevölkerung partout nicht wahrgenommen. Sie ist nicht wahlentscheidend, obwohl die Auswirkungen durch zensierte, also fehlende Informationen bis in jeden Kopf wirksam werden. Das klingt paradox, es ist paradox, und doch zeigt uns das die Wirklichkeit, so man denn die 30 % der Hochrechnungen für die Zensurpartei CDU und die ca. 30 % der links-grünen Zensurparteien dabei zugrunde legt. Eine Mehrheit im Lande fühlt sich offenbar wohler, wenn sie in einer zensierten, in einer vorgegaukelten Scheinrealität lebt, als sich mit der komplizierten Realität auseinanderzusetzen. Betreutes Denken in einer betreuten Freiheit. Paradox, nicht wahr?
Nein, an fehlender Bildung und Intelligenz liegt es nicht.
Eher an einer Gleichgültigkeit, man empfindet einfach keine Einschränkungen. Dass ich so widerborstig bin, liegt auch in meiner Kindheit begründet. Ich war ständig unter Kontrolle, wurde bei Fehlverhalten sanktioniert und habe noch im Teeniealter Prügel bezogen. In so eine Fremdbestimmung lasse ich mich nicht mehr quetschen. Die Impfung hätte ich auch verweigert, wäre ich auch „ohne“ zu meinem Training gekommen (2019 die OP und gerade erst wieder an Deck gekommen).
Ja, das ist eine einleuchtende Erklärung. Du hast sie für dich also gefunden.
Aber sicher gilt das nicht für jeden, der sensibel auf Einschränkungen reagiert, denn dann müsste es ja bei allen mit ähnlichen Erfahrungen gleich aussehen, und das kann ich mir wiederum nicht vorstellen. Oder die Erfahrungen in ihrer Jugend waren derart erfolgreich für die „Vorschreiber”, dass sie die jungen Menschen dadurch für den Rest ihres Lebens konditioniert konnten. Das kann ich mir allerdings auch nicht so recht vorstellen. Und ich selber habe nicht solche Erfahrungen wie du erlebt, reagiere aber trotzdem empfindlich auf Bedrohungen der Freiheit.
Ich meine, es ist eigentlich egal, welche Gründe die Mehrheit hat, um nicht zu reagieren, aber ich finde so etwas halt immer sehr interessant: Warum bemerken manche eine Bedrohung aber andere nicht?
Während der Coronazeit haben sie Blut geleckt. Sie konnten uns nach Belieben schurigeln und das hätten sie gerne wieder. Das Überziehen mit Klagen von Bürgern die sich unliebsam über Politiker äußern, kommt aus der gleichen Ecke.
Ich bleibe aber dabei, das Gros der 83 Mio. Deutschen kriegt das gar nicht mit. Die empfinden das nicht in ihrer kleinen heilen Puppenstubenwelt.
Wir, die wir zum Club der schwer erziehbaren gehören, sind eine Minderheit.
Früher, bis vor 20 Jahren ungefähr, war das noch anders, da zeigte sich ein komplett umgekehrtes Bild. Ich erinnere mich z.B. noch sehr gut an die Einführung von „Windows XP”. Erstmalig musste man sich dafür mit Realnamen online registrieren lassen. Was hatten damals die Medien wie der Spiegel darüber geschimpft. Man sah die Freiheitsrechte des Individuums dadurch in Gefahr. Zu recht, denn wenn ich ein Produkt kaufe, entscheide allein ich, was ich damit mache. Und was ich kaufe, geht niemanden etwas an.
Heute ist das ins genaue Gegenteil gekippt: Spiegel und Medien schimpfen, wenn sich jemand einer Erfassung irgendwo entziehen möchte. Es geht sogar so weit, dass alle Neuwagen in der EU mit Sensoren ausgestattet sind, die, genau wie beim Smartphone, auf Abruf zu jeder Zeit Ort, Fahrstrecke, Geschwindigkeit usw. des Autos lokalisieren können. Auch das wissen die wenigsten Zeitgenossen. Der Spiegel bleibt stumm.
Dasselbe galt für Meinungen: Im Grundgesetz steht, dass jede Partei zur Willensbildung in der Bevölkerung beizutragen habe. Es ist nicht bloß ein Recht, es ist sogar die Pflicht der unterschiedlichen Parteien im Lande. „Bild dir deine Meinung oder hast du keine?”, so hieß es noch in den 70er Jahren im ÖRR. Ohne Meinung war’s schlimmer als mit einer „schlechten“ Meinung. Heute wird versucht, jede Abweichung der links-grünen Regierungsmeinung zu canceln, sie als falsch darzustellen und sie zu verbieten. Und ausgerechnet die Kritiker von damals, denen der Meinungskorridor nicht weit genug sein konnte, verteidigen jetzt die Abschaffung der freien Meinung. Das ist die reinste Paradoxie.
Schiebt man dieser Meinungseinschränkung nicht zu Beginn einen Riegel vor, geht es damit natürlich immer weiter. Im Laufe der Zeit darf mehr und mehr nicht mehr gesagt werden. Bis dass die Normalbevölkerung am Ende die Unfreiheit am eigenen Leib bemerkt. Dann ist es aber meistens schon zu spät, um darauf noch reagieren zu können.
Es mag sein, dass wir beide zu einer Minderheit gehören – nein, es mag nicht nur so sein, die Hochrechnung der kommenden Wahl bestätigt es sogar, aber da zumindest ich kein besonders intelligenter Mensch bin, verstehe ich nicht, wieso den meisten Leuten, zum Teil viel klügere als ich, die Gefahr, die durch die Überwachung bis in den privaten Raum und durch die Abschaffung der Meinungsfreiheit entstehen, nicht sehen oder nicht sehen wollen. Woran liegt es also? Weder Bildung, noch Intelligenz zeigen hier einen Unterschied. Scheinbar ist die Sensibilität, wenn es um die Bedrohung von Freiheit geht, etwas, das in den Genen begründet liegt. Oder was sonst könnte hierfür eine Erklärung bieten?
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