Mein Gott, schon wieder ein Zufallsfund. Aber diesmal einer, der es wirklich in sich hat. Ohne ein Wort gesprochener Sprache verstehen zu müssen, wird eine Geschichte erzählt, die interessanter nicht sein könnte. Die Regie, Kamera und der Schnitt haben hier erstklassige und professionelle Arbeit geleistet. Es ist eine Art „Reality-Show”, die diesen Namen, im Gegensatz zu den uns bekannten Shows, wirklich verdient. Der Film dauert 3 Stunden und erzählt die Geschichte einer noch relativ jungen Frau in Vietnam, die aus mir noch nicht ersichtlichen Gründen alleine einen eigenen Bauernhof mit Tierzucht betreibt und daneben als Fuhrunternehmerin, Händlerin und Universalunternehmerin mit viel und teilweise schwerer Arbeit ein ausgefülltes und zufriedenes Dasein führt. Der Bau des Hofes und die Vorgeschichte werden in anderen Episoden der Dokureihe* gezeigt, die ich noch nicht gesehen habe. Das ist aber für diese Doku unerheblich.
Die Frau benutzt für ihre Arbeit ihren vietnamesischen Ein-Zylinder-Traktor, eine Mischung aus den uns bekannten Treckern, eines LKWs und einer Fräse mit offenem Fahrersitz, deren Lenkung durch einen Knick in der Antriebswelle quasi mitten im Wagen erfolgt. Solche Gefährte kenne ich noch aus meiner Kindheit, sie waren früher auf dem Land am Niederrhein völlig normal im Straßenbild, erscheinen heute allerdings wie Exoten aus einer anderen Welt.
Die „Reality-Doku” begleitet die Hauptdarstellerin, die also eine reale Person zu sein scheint*, durch den Alltag. Von der Einrichtung ihres kleinen Häuschens (ein Tiny-Haus) über die Bewirtschaftung des Hofs, vom Kauf und der Ernte der Rohstoffe, die sie bearbeitet und weiterverkauft, bis hin zu den vielen Begegnungen mit anderen Menschen, die einen beeindruckenden Einblick in die vietnamesische Alltagswelt auf dem Lande bieten. Dieses Land liegt in den Tropen, daher wirkt manches für uns natürlich ungewohnt und irgendwie provisorisch. Ist es aber nicht, es ist einfach nur anders, ursprünglicher, vielleicht sogar ehrlicher. Das Leben findet dort in erster Linie draußen im Freien statt. Die Kamera fängt darüber hinaus außergewöhnlich herrliche Landschaftsbilder ein. Besonders ist an dieser Doku auch, dass Männer nur als unwichtige Nebenfiguren erscheinen; das gesamte gezeigte Leben wird allein von Frauen bestimmt.
Und wie gesagt, das alles ohne dramaturgisch wichtige gesprochene Worte, eine Übersetzung wäre sinnlos, denn jeder versteht die Interaktion der Menschen auch so; die Sprache der Geschichte liegt allein in den Bildern bzw. im gelungenen Film.
Dieser Film hat übrigens rein gar nichts mit den Reparatur- oder LKW-Videos gemeinsam, die ich letztens so gelobt hatte. Ich will’s nur erwähnen, nicht dass du denkst, jetzt kommt der schon wieder mit so’nem langweiligen Kram daher. Ist er nicht, ich verspreche dir Spannung, Unterhaltung und Interesse. Von dieser hohen Qualität einer Doku ist der ÖRR trotz 10 Milliarden Euro pro Jahr meilenweit entfernt.
* Kleine Ergänzung, Nachtrag, Erklärung usw.: |