In Gottes Hand

Es ist so, dass ich mich selber mein ganzes Leben als einen linken Zeitgenossen verstanden habe. „Das Herz schlägt links”, betitelte einst Lafontaine seine Memoiren. Was heute die linken Parteien aber als links verkaufen, ist längst etwas anderes. Es ist das genaue Gegenteil.

Jetzt darauf einzugehen, wie, seit wann, wodurch und von wem die 180-Grad-Wende im Selbstverständnis der Linken vonstatten ging, ist viel zu aufwendig und müßig sowieso, denn es bleibt als wichtig nur festzuhalten, dass die links-grün-woke Gesellschaftserscheinung in der Politik zu diktatorischen, rassistischen, übergriffigen und frauenfeindlichen Entwicklungen führt, die alle Freude, Liebe und Freiheit der Bürger bis aufs Mark bekämpft, die die Kriegsrhetorik vergangener Zeiten wiederbelebt, die den politischen Mord feiert und die mit ihrem Ideal einer neuen Gesellschaft dem Bild des „neuen Menschen” der Nationalsozialisten gleicht wie ein Ei dem anderen.

Wie lange wird es noch dauern, bis die große Mehrheit der Bevölkerung das Böse erkennt, das sich den Mantel einer vermeintlichen Vielfalt angezogen hat, um die vorhandene Buntheit der Menschen mit dem Einheits-Schwarz der „Antifa” zu übermalen und alle in eine im Gleichschritt marschierende hörige Masse zwingt? Kann eine Mehrheit das überhaupt erkennen?

Die Masse, das Kollektiv – die Herde bietet dem Individuum Körper an Körper Schutz und Geborgenheit, was man nachvollziehen und verstehen kann. Es gilt auch dann, wenn die Herde auf einen Abgrund zurast, der das Ende von 90 % der Gemeinschaft bedeutet. Wenn diese Herde zu groß ist, kann keine Orientierung mehr stattfinden, kein Innehalten, denn die Kraft der puren Masse reißt jeden mit. Vielleicht – Denken muss erlaubt sein – ist exakt das ein evolutionärer Prozess, der auch bei uns Menschen automatisch und unbemerkt stattfindet, wenn beispielsweise eine Population zu groß oder zu krank geworden ist.

Man kann also mit dem Teufel oder mit biologischen Verhaltensweisen argumentieren, um die rasant fortschreitende Selbstzerstörung unserer Zivilisation zu beschreiben. Wer den Mechanismus, egal mit welchem Erklärungsmodell, verstanden hat, der kann sich abseits der mitreißenden Kraft an die Ränder der galoppierenden Herde begeben und dort versuchen, sich, seine Lieben oder die Familie vor den Sturz in den Abgrund zu bewahren. Eine Herde abrupt anzuhalten, ist jedenfalls unmöglich – und genau das beschreibt den Pessimismus, dem ich seit gestern anheim gefallen bin. Ich glaube nämlich nicht mehr an eine Rettung von allen, ich hoffe lediglich, eine Nische zu finden, in der einige und ich den kommenden Sturm überstehen werden.

Tja, so ist das mit dem Pessimismus. Man könnte ihn natürlich auch betäuben und sich das Leben schönsaufen, das würde ich vielleicht sogar tun, wenn ich wüsste, dass morgen der große Knall kommt, doch wahrscheinlich dauert der Untergang mehrere Jahre, dabei entstünde viel zu viel Katerstimmung. Also muss man auch das Ende der westlichen Zivilisation nüchtern und stark ertragen. Letztlich befinden wir uns alle in Gottes Hand. Und siehe da, die christliche Religion bietet Trost. Sie hilft tatsächlich, das Erkennen, das Sehen oder das Leben zu ertragen. Werde ich jetzt zu einem ur-linken Christen?