Fertig

Fertig! 🙂 Hat etwas länger gedauert, war (für mich) recht kompliziert, obwohl die Chinesen auf jedem Stück des Puzzles eine Nummer geklebt hatten (du siehst noch zwei von ihnen vorne am Schrank, was wie kleine Flecken aussieht). Der zusammengeklappte Stuhl kommt weg, auch den Handtuchhalter montiere ich wieder ab, sieht ohne bestimmt besser aus (Korrektur: nein, ohne Stuhl den Schrank etwas nach links geschoben, schon sieht der Handtuchhalter richtig gut aus. Er bleibt nu’ also doch). Andere Füße brauchte ich aber gar nicht, da vor den Löchern für die Rollen bereits flache Filz-Füße mit Loch aufgeklebt waren. Ob du’s glaubst oder nicht, allein für die Schublade hatte ich über eine Stunde gebraucht. Das war nämlich so ein Intelligenz-Ding zwischen spiegelverkehrt und seitenverkehrt mal vier Schienen.

Der Schrank ist aber nun schon ein paar Stündchen fertig. Danach habe ich mit meinem Nachbarn einen Spaziergang ins heimische Dorf unternommen. Wir gingen die katholische Kirche im Ort besichtigen. Deren Turm kannst du sogar ansatzweise auf dem Bild links oben im Fenster sehen. Und sie war geöffnet! Dass es so etwas noch gibt (oder wieder gibt), das ist richtig schön. Wir beide hatten die Kirche bisher noch nie von innen gesehen. Wir haben jeder eine Kerze (für 50 Cent) entzündet, das hatte etwas Magisches (oder Heiliges oder Spirituelles), halt eine gewisse Kraft. Die Katholiken wissen schon, wie sie ihre Stätten mystifizieren. Danach kurz zum Edeka-Markt und anschließend ein gemeinsames verspätetes Frühstück im Erker mit hernach noch Kaffee und Kuchen. Ratzfatz war es 15 Uhr.

Das war der Tag, gehab dich wohl.

Entspannung

Wieder ein Tag im Tagebuch verschütt gegangen. Es kommt gerade einfach zu viel spontan dazwischen. Könnte ich jetzt alles aufzählen, ist aber zu uninteressant. Wahrscheinlich hast du selber genug Stress mit diesem zeitfressenden kleinen Monster – nein, kein Monster, Pac-Man ist viel treffender 😉

In den nächsten Tagen habe ich ein paar Stunden eine Einweisung in die neue Arbeit. Die wird mir aller Voraussicht nach nicht gefallen. Ganz und gar nicht! Aber mal sehen, wenn ich die Arbeitszeit auf nur 70 bis 75 Stunden im Monat runterschrauben kann, sollte ich auch ein paar wenige Nächte einen ungeliebten Job hinbekommen. Etwas weniger Geld im Monat zur Verfügung, naja, ab wann kriegt man eigentlich Wohngeld? Könnte ich ja mal versuchen, ich meine, es gibt mittlerweile ganze Familien-Clans, die von öffentlichen Geldern leben, da sollten mit 60+ auch ein paar Euro Wohngeld abfallen, oder? Wahrscheinlich werde ich das aber doch nicht machen, ist mir irgendwie zuwider.

Die letzte Nacht war kalt, nass und windig. Daher verlasse ich heute die schöne Wohnung nicht einen Schritt. Als ich vorhin nach Hause kam, mich umgezogen hatte, das Wohnzimmer betrat und die Rechner hochfuhr, schaltete ich mit nur einem Knopfdruck all die verteilten Lichter an (10 Stück an der Zahl mit hauptsächlich 0,5-Watt-Birnen, das sage ich nur wegen möglich hier mitlesender „Bedenkenträger”), also in dem Moment breitete ich mit einem, ich glaube sogar gesprochenen freudigen Seufzer „oh, wie ist es schön!” meine Arme aus. Ich bin so überglücklich hier, fühle mich wohl wie schon sehr lange nicht mehr.

Im Küchenerker habe ich gestern Abend auf das Bord über der Spüle mein uraltes kleines Radio gestellt. Natürlich hätte ich am Rechner einen 100mal besseren Klang, doch jetzt, da das Radio leise aber in der Stille deutlich hörbar klingt, versetzt mich der typische einfache Sound tatsächlich zurück in meine Jugend als es noch nichts anderes als Kassettenrekorder, Kompaktplattenspieler und Transistorradios gab. Wie urgemütlich das doch ist! Die immerwährende Jagd nach dem perfekten Sound, nach mehr und mehr Multimedia und Gezappel macht einen auf Dauer verrückt, mach kirre im Kopf, dabei liegt die Magie des Radios in ganz schlichten relativ leisen Mono-Geräten. Es kommt, so glaube ich, auf die Umgebung an (ich feiere schließlich keine Party, bin alleine und verspüre keine Lust zu tanzen – ich entspanne). Die Stille durch die Doppelfenster mit Doppelverglasung, der frühe Freitagmorgen, der anschließende freie Tag, der alte wunderbare runde Küchentisch, irgendwelche klassische Musik aus dem Radio im Hintergrund, das E-Pfeifchen in der Hand, Tässchen Tee auf dem Tisch, all das zusammen ist einfach nur so herrlich, ist der pure Genuss. Aber leider mit Worten nur unzureichend beschreibbar.

In diesem Sinne wünsche ich dir ebenfalls einen gemütlichen Herbst-Freitag.

Nachher mache ich noch ein, zwei Fotos, muss dafür allerdings noch einen Nagel in die Wand schlagen, was ich natürlich nicht um diese Uhrzeit tun werde. Denn mit Hammerschlägen geweckt zu werden, wäre für die Nachbarn das genaue Gegenteil von besinnlicher Entspannung.

Vom Alltag trotz größter Pein

Es ist schon eine verzwickte Sache, wenn ich in solch schrecklichen Zeiten wie gerade heute mit alltäglichen Banalitäten, Vergnügen oder persönlichen Dingen und Befindlichkeiten daherkomme. Die einen werfen mir dann eine mangelnde Empathiefähigkeit vor, die anderen unterstellen mir gar mögliche Ablenkungsmanöver, um den Terror und die Probleme der Welt unter den Teppich zu kehren. Dass beides nicht der Fall ist, weißt du als regelmäßiger Besucher dieses Tagebuchs.

So brutal es sich auch anhört, das Leben verläuft seinen gewohnten Gang. Ist man selber vom Leid betroffen, kann man diese Teilnahmslosigkeit nicht verstehen: Wie kann die Sonne jeden Morgen aufs Neue über die wunderschönen herbstlich-nebligen Felder unberührt vom Elend der Welt so zauberhaft aufgehen? Wie kann man sein Frühstück genießen, in den Gleichklang lauten Kinderlachens einstimmen oder interessiert einen komödiantischen Film anschauen? Warum steht die Erde nicht still, raubt einem doch das pure Entsetzen darüber, was Menschen anderen antun, den Atem und nimmt einem alle Lebensfreude?

Die Erde saugt jedes vergossene Blut auf und irgendwann wird nichts mehr daran erinnern. Das ist aber nicht böse, es ist der Lauf allen Seins. Der Alltag schiebt jede Trauer von uns persönlich nicht Betroffenen beiseite. Die Bilder mögen in den Träumen aufblitzen, sich mit anderen Bildern vermischen und im schlimmsten Fall bei einigen Seelen zu psychologischen Krankheitserscheinungen führen, doch für die Mehrheit, im Allgemeinen, dreht sich die Welt als sei nichts geschehen.

Kann man (kann ich) das fürs eigene Leben akzeptieren? Ganz abgesehen davon, dass man keine andere Wahl hat, um nicht im Alltag „unterzugehen”, so gehört die Erkenntnis um das Wesen des Menschen zu den fundamentalen Dingen, die man im Laufe seines Daseins erlernt. Der Mensch kann so wunderbare Dinge tun, voller Liebe und Mitgefühl seinen Mitmenschen und allen Geschöpfen dieser Erde gegenüber, und er kann so unsagbar grausam und brutal handeln in einer Person. Dem Leben auf der Erde aber ist das egal. Wir als Menschheit sind nur ein winziger Teil all dessen und unbedeutend wie ein Sandkorn am Strand. Der einkehrende Alltag nach einer Katastrophe ist weder gut noch böse. Und auch wenn es kitschig und albern klingen mag, so möchte ich mit der erzählten Weisheit aus der Westernserie „1883” heute schließen, denn in ihr liegt all das verborgen, was ich mit dem größten Buchstabengestammel nicht zuwege bringen könnte:

„Die Welt schert es nicht, ob du stirbst. Sie will deine Schreie nicht hören. Wenn du auf die Erde blutest, saugt sie das Blut auf. Es kümmert sie nicht, dass du verletzt bist. Ich sagte mir, wenn ich Gott treffe, wird meine erste Frage an ihn sein: warum eine Welt voller Wunder erschaffen und sie mit Monstern bevölkern? Warum Blumen erschaffen und dazu Schlangen, die darunter lauern? Welchen Zweck erfüllt ein Wirbelsturm? Dann ging es mir auf: Er schuf das alles nicht für uns.”

Genies leben unter uns

Es war vorgestern/gestern ein herrliches Filmerlebnis, eine „tolle Droge”. Die Geschichte fing mich ein und fesselte mich. Durch jede einzelne Pore meiner Haut sog ich das Gezeigte auf.

Wir alle finden irgendwann unser Ende, die Fantasie und die geniale filmische Erzählkunst des Autors Taylor Sheridans erschaffen dabei eine virtuelle Realität, der ich mich inklusive eben des eigenen möglichen Endes in ähnlicher Weise jederzeit anschließen würde, was natürlich nie mehr der Fall sein kann, da es kein gelobtes Land auf dieser Erde mehr gibt, was allerdings die Sehnsucht danach kein bisschen schmälert. Eine Reise als wunderbare Metapher des Lebens. Freiheit und Unabhängigkeit mitsamt des Preises, der dafür zu entrichten ist. Und doch, dafür lohnt es sich zu leben und zu sterben.

Etwas vollkommen anderes:

Per Zufall war ich gestern noch auf dieses (unten verlinkte) Video gestoßen, den Zusammenschnitt einer von Grund auf Restaurierung eines alten 89er Defenders. Ein Mann hat das hauptsächlich gemacht, ein weiteres Genie!

Man darf nicht inflationär mit diesem Begriff umgehen, mache ich auch nicht, doch hier trifft er zur Gänze zu. Fast zwei Stunden lang litt ich beim Anschauen seiner Arbeit unter Sauerstoffmangel, da die Restaurierung einfach nur atemberaubend ist. Mein Mund blieb quasi atemlos vor Staunen offen. Eigentlich kommentiere ich nie mit meinem Realnamen unter YouTube-Videos, hier musste eine Ausnahme gemacht werden. Was ich im eigenen Leben jemals geleistet habe, kommt nicht mal ansatzweise in die Nähe dieses genialen Mechanikers. Selber war ich bereits stolz nach dem Austausch zum Beispiel einer Wasserpumpe, einer Lichtmaschine, eines Kühlers bei meinen stets alten Autos, das höchste der Gefühle war 1979 der Ausbau meines alten VW-Bullis als wohnmobil-ähnliches Übernachtungs-Gefährt, doch das hier Gezeigte lehrt schlichtweg Demut. Es zeigt mir, wo im hinteren Feld oder eher als Schlusslicht der Karawane der Handwerker sich die eigenen Fähigkeiten befinden. So etwas wie in diesem Video (ohne gesprochene Worte) habe ich so noch niemals zuvor gesehen:

Sinéad O’Conner, R.I.P.

Ach, zufällig entdeckt: Sinéad O’Connor ist gestorben. Das ging völlig an mir vorbei, nix von mitbekommen. Im Juli starb sie schon. Nur 56 Jahre alt ist sie geworden. Wie schade. Nun leuchtet ein weiterer heller Stern am Himmelszelt. Die Todesursache und die Umstände wurden nicht bekannt gegeben, außer dass er laut der Londoner Polizei unverdächtig sei. Wer ihr Leben etwas verfolgt hat, kommt schwer umhin, von etwas anderem als Suizid auszugehen. Ist aber auch egal. So oder so eine traurige Nachricht. Möge sie in Frieden ruhen.

Nothing Compares 2 U
(hier im Tagebuch ohne Werbung)

Mein schrecklicher Umgang mit Positivem

Schon öfter schrieb ich, dass Lob oder nette Dinge, die über mich gesagt werden, nicht gerade einen routinierten Umgang von mir hervorrufen, sondern vielmehr ein Schweigen vor lauter Sprachlosigkeit zur Folge haben. Jemand, der als Waldschrat sich eher in einer Art Inneren Emigration befindet und sich von der Mehrheit der Menschen abwendet, wird von Jahr zu Jahr sozial inkompatibler und inkompetenter, was ein „normales” Verhalten anbelangt. Man möge mich gerne ausschimpfen, kritisieren, wo’s nur geht, doch nette Dinge zu mir sagen? Dem habe ich nichts entgegenzusetzen.

Danke Mira (und Barbara) für die netten Worte, sie wärmen mein Herz (natürlich, denn auch ein Waldschrat ist, solange er noch nicht auf allen Vieren bellend, maunzend, brummend oder surrend durch seine heiligen Hallen krabbelt oder sich womöglich im Vorstadium einer Verpuppung zu einem Rieseninsekt befindet, nach wie vor ein Mensch). Mein kommentarloses Schweigen ist also alles andere als despektierlich gemeint, es zeigt allein die Sprachlosigkeit eines ungewohnten, überraschend ereilten Lobs.

Das ist ja sowieso auch eine grundsätzliche Angelegenheit. Lob oder Positives beruhigt die Seele. Je aufgewühlter, hektischer und hysterischer das Stechen und Schlagen um einen herum stattfindet, desto ruhiger, geerdeter und gelassener lässt Positives die guten Seiten im Menschen glänzen, die melodischen Saiten erklingen. Wenn wir doch nur wieder lernen würden, dem Gegenüber positiv zu begegnen, dann besäßen wir ruckzuck ein positives Virus, das in seiner Ansteckung gleichsam eine Heilung massenhaft verbreitet. Es führte zu einer Herdenimmunität gegen das Negative unserer Zeit. Stattdessen hacken Viele immerzu auf andere herum, oft auf schwächere, meist auf die Kinder. Wie soll ein Kind, das die Ungebundenheit eigener körperlicher sowie geistiger Bewegungen gar nicht kennt, da es immerzu für alles und jedes Kritik erfährt, gemaßregelt und gegängelt wird, je die eigene Freiheit verstehen? Man gibt weiter, was man selber bekommen hat. Man grenzt lieber andere aus, statt die eigene Blase über den anderen auszudehnen, den anderen quasi einzufangen in die wabernde Hülle des eigenen Zuhauses. Wie Seifenblasen, die, treffen sie auf andere Blasen, sich mit ihnen vereinen und dadurch größer werden und alle schillernden bunten Farben immer sichtbarer präsentieren. Man stelle sich nur mal vor, die Medien würden fortan auch über Positives berichten (nicht Positives erfinden, sondern nach dem Positiven recherchieren und es dann verbreiten) – wie schnell würde eine kränkelnde Gemeinschaft daran gesunden.

Nun, das ist leider nicht so. Medial besteht kein Interesse an einer glücklichen und zufriedenen Gesellschaft, Aufreger machen Quote, machen Geld. Deshalb bleibt denjenigen, die sich dem Negativen nicht ständig aussetzen wollen, nur die Innere Emigration als Schutzraum übrig. Verbringt man zu lange Zeit dort, verliert sich leicht das Wissen, was man tut, wenn einem etwas Nettes, Gutes oder Positives berührt. Das macht dann sprachlos – aber eben nicht gefühllos.

Natürlich ist Kritik genauso wichtig. In einer Welt eines wahnsinnigen Liebhabens würde ich ebenso wenig leben wollen. Man denke nur an die Eloi aus Herbert G. Wells „Die Zeitmaschine”. Die Waage sollte einigermaßen ausgewogen bleiben, dabei ruhig von einer Seite zur anderen hin und her schwanken, das ist schließlich Sinn und Zweck ihres Daseins, doch eine Waagschale dauerhaft mit einem viel zu schweren Bleigewicht unten zu halten, das zerstört am Ende die gesamte Waage.

In diesem Sinne: ein wenig kryptisch heute, jaja. Ein ungelenkes Dankeschön für das wenige Positive, das mich die Tage erreichte. Das ist gut, denn dadurch kann ich selber wieder aus dem Vollen schöpfen und wünsche dir, liebe Leserin und lieber Leser, mit aller Kraft und innerer Ehrlichkeit ein freundliches positives Wochenende.

Karfreitagsruhe

Eine Ruhe wie Weihnachten herrschte in der letzten zweiten Nachthälfte. So gegen 4 Uhr fiel es mir richtig auf: nicht ein Auto weit und breit, auch das Rauschen der nahen Autobahn fehlte, kein Mensch war zu sehen, Straßen und Wege wie ausgestorben. Scheinbar begannen nirgendwo Frühschichten oder die Leute beamten sich zur Arbeit. Keine durch Menschen verursachten Geräusche gab es. Das ist tatsächlich selten, denn normalerweise ist immer irgendetwas zu hören.

Man liest um den Karfreitag herum ja jedes Jahr Artikel, in denen Fragen gestellt und Meinungen unters Volk gebracht werden, ob diese Karfreitagsruhe noch zeitgemäß sei. Lustig ist, dass ich diese Artikel seit den 70er Jahren eigentlich unverändert vorfinde. Stets derselbe Inhalt. Man könnte mal interessehalber recherchieren, ob das vielleicht sogar immer wieder dieselben Artikel sind. Kleiner Scherz, jedenfalls nichts Neues unter der Ostersonne. Und ja, man hat das ganze Jahr lang Zeit zu zappeln und nervös zu feiern, da braucht den Menschen, die diese Stille genießen, nicht auch noch der letzte ruhige Tag gestohlen zu werden.

Ihr Jungen werdet ihn überleben und ihr armen Älteren, die ihr nichts mehr ohne Ablenkung mit eurem Inneren anzufangen wisst, bekommt somit einmalig im Jahr die Chance, dort mal in Ruhe nachzuschauen, ob da überhaupt noch etwas Substanzielles vorhanden ist. Falls nicht, so ließe sich die hohle Hülle, die Echokammer der leeren Schaltzentrale oberhalb des Schreihalses, prima mit neuen Eindrücken aus der Natur befüllen, indem ihr einen langen Osterspaziergang unternehmt. Die meisten Leserinnen und Leser dieses Tagebuchs und meine Wenigkeit, wir verraten euch ein Geheimnis: nach einem solchen Spaziergang werdet ihr zufriedener sein als nach jedem noch so angesagten Bum-Bum-Party-Event. Das Wandern in der Natur befreit jede nervöse Unruhe und man kann ihr dabei zusehen, wie sie die Fesseln abstreift und hastig davonläuft. Übrig bleibst du, ein Mensch, der wieder in Ruhe darüber nachdenken kann, wozu es ihn überhaupt gibt.

Nachruf

Hier mein (schon lange) erstellter Nachruf. “Statt Karten”, wie oft geschrieben wird. Und in 4-wöchiger Verspätung. Kann passieren, wenn keine Kommunikation mehr besteht. Ist nicht dramatisch, es ändert eh nichts. Ob Gabi oder Mutter, ich bin’s selber, der sich als Waldschrat bewusst die Abgeschiedenheit von allen und jedem ausgesucht hat. Da bekomme ich halt auch alles nur mit Verspätung mit. Erst recht den Tod, denn es stimmt einfach nicht, dass man irgendwie mystisch vom Tod eines nahestehenden Menschen etwas erfühlt. Das sind Geschichten von Lebenden. Niemand klopft nach seinem Tod an Decken oder Wände oder erscheint in Träumen oder lässt Blumen blühen, Sonnenstrahlen seltsam hell erscheinen oder was auch immer. Nichts, die Welt dreht sich weiter, ohne die geringste Notiz davon zu nehmen. Der Rest ist lediglich die fehlende Kommunikation der Lebenden. Aber auch das ist vollkommen in Ordnung, denn, wie gesagt, ich wollte und will es ja so:

Elli-Eli

Ein Elli-Suchbild – Draufklicken = Großansicht

3/4 für das Header-Bild, das ist eindeutig. Danke für deine Teilnahme an dieser kleinen Umfrage. Wie ich ja bereits schrieb, so bin ich immer unsicher, was Fotos von mir selber betreffen bzw. damit, mich indirekt in den Mittelpunkt des Weblogs zu stellen. Das ist bei einem persönlichen Tagebuch natürlich verrückt, ich weiß. „Bildwahrhaftige” Dinge sind halt nicht so mein Fall, sehe mich viel lieber am Rand oder im Hintergrund. Bei anderen Leuten finde ich das aber völlig in Ordnung. Da gibt es ja viele, die auch ihr Äußeres prominent voranstellen.

Außerdem geht es beim Header-Bild schließlich auch um „Eli-Elli”, einem ganz besonderen Menschen. Einem Menschen? Das ist doch ein Hund!, zweifelst du kopfschüttelnd. Nein, nein, Elli war Zeit ihres Lebens davon überzeugt, ein besonderer Mensch zu sein. Mit Hunden wurde sie selten warm und Katzen wollte sie nur jagen. Wenn du ihr aber in die Augen sahst – was auf dem Header-Bild ja ansatzweise zu erkennen ist – dann konntest du in ihnen die gesamte Weisheit empfindsamen Lebens der Welt erkennen.

Elli verhielt sich auch eher wie ein Mensch: sie fand es kein bisschen schlimm, dass sie nur auf zwei gesunden Beinen ging, denn sie war mir dadurch eben sehr ähnlich. Trotz dieses Handicaps rannte sie schnell wie ein Blitz. Nicht schnell genug, um Häschen zu fangen, ist klar. Die frechsten von ihnen erkannten Elli schon von Weitem auf unseren Spaziergängen und rannten nicht einmal mehr vor ihr davon, was sie aber mit überlegener Nichtbeachtung quittierte. Einige Male konnte ich sie dabei beobachten, wie sie scheinbar ohne den Hasen zu beachten an ihm vorüber ging, dann aber nach wenigen Metern sich ihm geschickt von einer anderen Seite langsam wieder wie rein zufällig näherte. Manchmal war sie sehr dicht dran, einen zu erwischen. Obwohl ich sicher bin, dass sie damit nichts anzufangen gewusst hätte, denn Essen bedeutete für sie auch Menschen-Essen am bzw. unterm Tisch. Wenn wir im Duett aßen war sie stolz, ein Mensch zu sein. Wir beide gingen auch zusammen zur Arbeit, lebten also echte 24 Stunden am Tag miteinander. War es im Winter im Dienst zu kalt, legte sie sich auf meinen gefütterten Mantel. Dafür konnte ich mich stets auf ihre Aufmerksamkeit verlassen, egal an welchem Einsatzort wir uns auch befanden. Sie verhielt sich wie eine mobile Radarstation, die alles im Umkreis von ein paar hundert Metern auf dem Schirm hatte und mich sofort informierte, wenn etwas Ungewöhnliches geschah.

Ellis Grab. Gerade eben fotografiert

Nach beinahe 14 gemeinsamen Jahren zeigte auch ihr Ende menschliche Züge. Sie war im letzten halben Jahr ihres Lebens krank und schwach (Krebs), doch ließ es sich nie nehmen, draußen unter einem Baum im Halbschatten stundenlang zu dösen – und über ihr Leben nachzusinnen, wie’s mir schien. Sobald ich aufgestanden war und die Tür zum Garten geöffnet hatte, legte sie sich sofort dorthin. Die Tür behielt ich in ihren letzten Wochen fast durchgehend offen. Dann fiel Elli dort im Garten einfach um. Schluss, aus, Ende. So ging sie davon. Still, plötzlich, unkompliziert. Ich baute ihr ein unterirdisches Bett, in dem sie bis heute nah bei ihrem Lieblingsbaum liegt.

Ein paar Jahre konnte ich kein Foto von ihr sehen. Hatte die Dateiordner mit den Bildern gemieden wie der Teufel das Weihwasser. Heute geht’s aber wieder. Über 30 Jahre lebte stets ein Hund an meiner Seite, „Herr Müller” war auch etwas ganz Besonderes, doch einen menschlicheren Hund als Elli habe ich kein zweites Mal gesehen.

Jajaja, etwas hundelastig hier heute, nicht wahr? Ist halt wegen des Header-Bildes. Bis denne, habe einen angenehmen Tag. Meine Wenigkeit sagt derweil gute Nacht.

Schicksal

Auch wenn dieser Eintrag am selben Datum wie der davor erscheint, ist für mich ein kompletter Tag vergangen. Lässt sich das WordPress-Blog vielleicht um 12 Stunden umstellen? Dann kämst aber du als Leserin und Leser durcheinander. Wie man sieht, eine optimale Lösung für alle gibt es nicht.

Was ich gegenwärtig empfinde, ist die Speed-Variante einer stinknormalen Trauerphase. Reine Biologie oder die erwartbaren Auswirkungen eines körpereigenen chemischen Gemisches. Zuerst der Schock gefolgt vom Schmerz, danach der Zorn und am Ende das Abfinden mit den Dingen, die außerhalb meiner Kontrolle liegen. Allerdings ist bei mir etwas kaputt (im Hirn), denn die Versöhnung mit dem Schicksal wird nicht stattfinden. Nie. Dazu müsste sich das Schicksal grundlegend ändern und fortan allen Menschen nur Gutes bescheren. Da wir ihm aber egal sind, ist das Schicksal mir gleichermaßen wumpe; es tut eh, was es will. Muss ich erwähnen, dass der Begriff Schicksal eine Art Lückenfüller ist, für den man nach Belieben „Gott”, „Schöpfer” oder was auch immer einsetzen kann? Jedenfalls der/die/das xxx kann mich mal.

Besinnliches

Es ist schwierig, jetzt im Blog einfach weiterzumachen, als sei nichts geschehen. Hiermit meine ich keine seelische Belastung oder so etwas, keine Trauer oder die Bewältigung derselben – dafür wäre ein Tagebuch sogar ideal – nein, all das Psychozeug meine ich gar nicht, sondern es erscheint mir schlicht schwierig im Angesicht der Sinnlosigkeit des eigenen Tuns, für das ein Tagebuch ja nur als eine Art Spiegel steht.

Eigentlich (wieder dieser unselige Begriff) sollte man nur im Hier und Jetzt verweilen, in der Gegenwart. Die Vergangenheit kann eine Zuflucht sein, ein virtuell ablaufender Film, ein Traum, in dem sich munter die vergangene Realität mit der Gegenwart und all den Interpretationen des Erlebten vermischt. Wenn man beispielsweise als Pflegefall lange im Sterben liegt, kann dieser Ort sehr nützlich sein und die Wartezeit verkürzen. In der Gegenwart eines funktionierenden Gehirns und eines noch einigermaßen intakten Körpers ist sie aber eher hinderlich für das Erleben der Zeit und ihrer Umstände.

Die Zukunft ist – als alter Trekkie weiß man so etwas, weil in „Star Trek” oft Shakespeare zitiert wird – ein unentdecktes Land. Sie macht jede Planung überflüssig. Um das zu wissen, braucht man aber keine Gelehrten, denn auch der Volksmund, die Schwarmintelligenz der Menschheit, bezeichnet die Zukunft treffend als „erstens kommt es anders und zweitens als man denkt”. Was bleibt, ist dann nur noch die Gegenwart.

Jedes Tier ist uns seelisch/psychisch haushoch überlegen, denn der Verzicht auf die Fähigkeit zur Reflektion mit all ihren im Laufe der Evolution verfeinerten Details, lässt ihm den eigentlichen biologischen Sinn des Seins einfach nur erleben, lässt ihn als gegeben hinnehmen ohne Kritik, ohne Nachfrage gewissermaßen.

Was erschaffen wir uns doch eine Menge Krücken, um der Ausweglosigkeit etwas entgegenzustellen. Von Religionen oder Philosophien bis hin zur Magie – die Kreativität zum Leugnen der Banalität des Lebens ist funkensprühend und wirklich großartig. Allein am Ende nutzlos – das heißt, wenn man ein geführtes Dasein in einer Täuschung, die uns als Krücke stützt und das Leben besser ertragbar macht, nicht doch als einen Nutzen betrachtet. Es sind spirituelle Drogen, die ja nicht zwingend schlecht sein müssen, verabreichen wir doch auch Anderen Opiate zum Ertragen oder Ausschalten der körperlichen Schmerzen am Lebensende. Also ich möchte niemandem die Religion nehmen, den Glauben an was auch immer. Wenn’s hilft, ist’s im wahrsten Sinne des Wortes wunderbar. Leider funktioniert das aber nicht bei mir.

Wie du siehst, heute geht’s ein wenig besinnlicher zu in den chaotischen heiligen Hallen meiner inneren und äußeren Behausung. Nichtsdestotrotz wünsche ich dir einen möglichst leichten und beschwingten Dienstag.

Unter Schock

Nach zwei Jahren erfuhr ich durch Zufall heute vom Tod einer Weggefährtin. Wir waren mal zusammen, lebten eine kurze Zeit mit ihren Töchtern hier im Haus aber trennten uns wieder – und jetzt kommt’s: im Guten. Ohne irgendein böses Wort. Danach haben wir einmal pro Jahr mindestens vier, fünf Stunden lang telefoniert, meist nachts, und uns gegenseitig über unsere Leben auf dem Laufenden gehalten. Uns verband die tiefe innige Freundschaft zweier verwandter Seelen.

Es ist ja so: wenn sich jemand weniger oder eine Zeitlang gar nicht meldet, denkt man immer, ihm oder ihr würde es gut gehen. Ich sehe dann davon ab, mich in Erinnerung zu bringen und harre geduldig aus. So wartete ich ihren Telefonabruf ab – und die Zeit flog dahin. Heute erfuhr ich dann aus dem Internet (!), dass G schon zwei Jahre tot ist. Unfassbar! Niemand ihrer Familie hatte in diesen Jahren etwas gesagt. G hat unsere Verbundenheit geheim gehalten, was auch völlig in Ordnung ist. Ich erwähne diese Begleitumstände nur deshalb, um den Schlag, der mich vor ein paar Stunden traf, zu verdeutlichen. Ich bin wirklich getroffen, betroffen.

G war für mich eine der wichtigsten Menschen in meinem Leben. Bei allem, was ich tat oder das mir widerfuhr wusste ich, dass ich sie jederzeit hätte anrufen können. Allein diese Gewissheit gab mir immer Kraft und Halt. Es ist schade, dass ich ihr nicht beistehen konnte, aber ich respektiere ihren Wunsch, den letzten Schritt im Stillen gehen zu wollen. Ich würde es genauso machen und werde es hoffentlich auch so tun können.

Da ich diesen Eintrag anonym halte, kann ich leider keines ihrer Gedichte wiedergeben, die sie während unserer Zeit als gemeinsame Betreiber der Literaturplattform „THYLA” geschrieben hatte. Sie war eine große Freundin der Ureinwohner der USA – und wie eine Feder im Wind will sie nun endlich vollkommen frei sein. Nichts soll sie mehr auf den Boden festhalten. Sie hat mehr als genug für andere gelebt, nun überlasse auch ich sie den Winden. Es dauert nicht mehr allzu lange, dann werde ich ihren Flug ein Stück weit begleiten. Wieder etwas, das mir die Furcht nimmt, auf das ich mich sogar freue.