Letzte Nacht habe ich den sechsteiligen Western „American Primeval” gesehen. Alle 6 Teile wohlgemerkt. Heißt das nun, dass mir die Westernserie gefallen hat? Nunja, vorweg: 6 Bewertungspunkte.
Er beginnt in der gesamten ersten Episode wie ein billiger Horrorfilm der B-Klasse. Die Musik, oder besser gesagt die Klänge, sind in den ersten beiden Folgen grauenhaft, werden aber in den weiteren Folgen deutlich angenehmer. Der ganze Anfang wirkt wie grob dahingeworfen. Ohne jeden Zusammenhang, ohne Erklärungen. Du musst stark sein und den ersten Teil schlicht aushalten, danach erst wird die Serie langsam von Episode zu Episode besser. Bis jetzt ist mir noch nicht ganz klar, ob die Handlung wirklich etwas erzählen möchte oder ob sie nur als billiges Alibi für eine Aneinanderreihung aller möglicher Brutalitäten dient. Die Kamera bietet – wieder im 1. Teil – enormes Wackelpotential (nervig), doch auch die Wackelei verschwindet in den nachfolgenden Episoden.
So, das ist das Negative an dieser Serie. Nun zum Positiven.
Zuerst das Filmset. Da wurde richtig Arbeit investiert, alles so authentisch wie möglich erscheinen zu lassen. Dann die Maske. Auch dort gab man sich viel Mühe, keine Püppchen anzuziehen und zu schminken, sondern jener Zeit äußerlich gerecht zu werden. Alles ist darüber hinaus dreckig und blutig. Aber nicht übertrieben, sondern angesichts der Umstände und der Zeit durchaus realistisch. Ebenso ist es ein Bart-Film; Männer tragen Bärte, meist ungepflegte, doch wer alte Fotografien aus jener Zeit kennt, weiß diese historisch überlieferte Mode bzw. den absoluten Verzicht auf gerade jedes modische Aussehen der Protagonisten zu schätzen. Und zum Schluss das Wichtigste überhaupt: Die Darsteller spielen alle ausgesprochen überzeugend.
Die Geschichte selber ist eher typisch. Um einer Langeweile vorzubeugen kulminieren verschiedene Ereignisse in einem sehr gerafften Zeitraum. Auch die Orte des Geschehens springen regietechnisch munter hin und her, das wurde aber auch nicht schlecht gemacht. Es kommt also keine Langeweile auf.
Was der Serie vielleicht fehlt, das wäre eine sympathische Identifikationsfigur. Irgendwie gibt es keinen wirklichen Helden, mit dem man als Zuschauer mitfiebert. Das kann man positiv wie negativ sehen. Ich meine, hier fehlt dem Film das gewisse Etwas, der Zauber anderer großer Filme mit einem ähnlichen Thema. Aber man könnte „American Primeval” auch als Gegenpart zu Costners „Horizon-Saga” sehen, und unter diesem Blickwinkel schlägt er den kitschigen Horizon-Western qualitativ sogar um Längen. Allerdings kommt er trotzdem nicht in die Nähe einer Taylor-Sheridan-Serie. In gewisser Weise also steckt „American Primeval” genau dazwischen. Dennoch, oder eventuell gerade deshalb, finde ich die Mini-Serie absolut [edit: durchaus] sehenswert. Läuft, glaube ich, bei Netflix.