Das folgende Geschehnis ließe sich aus mehreren Blickwinkeln hervorragend humoristisch darstellen und herrlich ausschmücken, doch da ich grundsätzlich ja Privates von Dingen des beruflichen Alltags im öffentlichen Tagebuch trenne, folgt nur eine kurze Meldung im Stenogrammstil – das muss aber wenigstens wegen seines Seltenheitswertes sein – und nicht ohne die Hoffnung auf deine Vorstellungskraft, denn auch eine geraffte Schilderung offenbart mitunter, wie es um die Intelligenz mancher Zeitgenossen heute bestellt ist.
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Wenige Minuten vor Feierabend hörte ich ein fieses Geräusch in unmittelbarer Umgebung. Ich erspähte fast augenblicklich einen jungen Mann in 10, 15 Metern Entfernung, der durch das eingeschlagene hintere Seitenfenster eines abgestellten Autos kleinere Kartons heraus kramte. Er sah zu mir herüber aber hielt nicht inne in seinem Tun, weshalb ich angesichts dieses wenig rationalen Verhaltens mit meinem Fahrrad auf Abstand blieb. Mir wurde klar, jetzt live Augenzeuge eines feisten Raubes zu sein. Per Handy rief ich professionelle Hilfe und wohnte der Live-Show weiterhin bei.
Vollbepackt mit kleineren und mittelgroßen Kartons begab sich der Dieb zum sehr nahegelegenen ländlichen Bahnhof. Soviel er tragen konnte – diese Gier führte auf den wenigen Metern mehrmals dazu, unterwegs über die Bahngleise und entlang des Bahnsteigs etwas der Beute zu verlieren, für das er jedes Mal anhalten und sich bücken musste, um ja nichts liegen zu lassen. Dann setzte er sich ins einzige Wartehäuschen auf die Bank und wartete auf einen Zug. Mit roter Jacke und weißem Bart hätte er prima das Bild eines Weihnachtsmannes abgegeben. Nun, Sonntag morgens gegen 4, 5 Uhr fährt aber keine Bahn und niemand sonst befand sich folglich auf dem Bahnsteig, so dass lediglich die Zeiger der Uhr in der erholsamen Stille des beginnenden ländlichen Morgens sich langsam und kaum hörbar tickend fortbewegten. Der Uhu rief aus der Ferne, die Dohlen und Krähen auf den Bäumen ringsherum schliefen noch, Straßen und Wege waren leer, die ganze Szenerie wirkte im Schein der gelben und bläulichen LED-Beleuchtung dystopisch ausgestorben. Einsam saß der Dieb neben seiner Beute und harrte der Dinge, die er wohl nicht vorausgesehen hatte, denn kurze Zeit später erreichte die Polizei den Ort des Geschehens und bat ihn ausgesprochen freundlich, sie zu begleiten. Ende der Geschichte. Es folgten nur noch Zeugenaussage und Fotos der Beweissicherung. Aber ein Räuber, der neben diversen Kartons seines Diebesguts sitzt und quasi zum Abtransport auf die Bundesbahn als Fluchtfahrzeug wartet – das habe ich so auch noch nicht erlebt, was mich allerdings frappierend an die Käfer-Werbung aus dem TV meiner Kindheit erinnert.
Einen klügeren Restsonntag wünsche ich dir, bis morgen in diesem Theater.